Miss Carolines verwegener Plan
las.
Lieber Max,
ich schicke diesen Brief an die Britische Botschaft in Wien, weil ich denke, dass du sie aufsuchen wirst und du mein Schreiben dann erhältst.
Ich habe für alle Pferde, die ich verkaufen wollte, gute Käufer gefunden.
Max freute sich über ihren freundschaftlichen Ton. Es war fast, als hätte es diesen überstürzten, bitteren Abschied nicht gegeben.
Gleich nach den Verkäufen bin ich nach Irland gereist, um mir einige Stuten anzuschauen. Ich hatte Glück und habe mehrere vielversprechende Tiere gefunden. Morgen werde ich entscheiden, welche ich kaufe. Dann kehre ich nach Denby Lodge zurück.
Er drehte das Blatt um, und noch ehe er wirklich lesen konnte, was dort stand, sprang ihm ein Wort ins Auge. Schockiert starrte er es an. Dann richtete er sich in seinem Stuhl auf.
Ich möchte mich für die Art entschuldigen, in der ich Abschied von dir genommen habe. Und auch dafür, dass ich nicht vor der Hochzeit mit dir über den Fluch gesprochen habe. Ich hoffe, dass du mir irgendwann verzeihst, sodass wir einen Neuanfang machen können.
Deine dich liebende Gattin Caroline
Den letzten Absatz las Max drei Mal. Die Worte ‚ Ich hoffe, dass wir einen Neuanfang machen können ‘ ließen sein Herz schneller schlagen. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf und seufzte. Er hatte Caroline vermisst, täglich, stündlich, auch wenn er es sich nicht hatte eingestehen wollen. Er war wütend auf sie gewesen und enttäuscht. Aber es ließ sich nicht leugnen, dass er sich nach wie vor heftig zu ihr hingezogen fühlte. Sie waren zwar nur einen Monat lang verheiratet gewesen, ehe er Denby Lodge verließ, doch in dieser kurzen Zeit, war es Caroline gelungen, ein wichtiger Teil seines Lebens zu werden. Sie war so lebendig, so mutig, so klug, humorvoll und schön. Verdammt, sie fehlte ihm mehr, als ihm lieb war.
Als er jetzt ihren Brief noch einmal las, ließ der Zorn über das, was er in der Botschaft erfahren hatte, nach und wurde ersetzt durch den Wunsch, zu Caroline zurückzukehren und die Schwierigkeiten auszuräumen, die zwischen ihm und ihr standen.
Seit er Denby Lodge verlassen hatte, war er bemüht gewesen, möglichst selten an sie zu denken. Doch nun rückte ihr Bild in den Mittelpunkt seiner Erinnerung. Plötzlich bemerkte er, dass seine Verzweiflung verflogen war und dass Hoffnung ihn erfüllte. Lord Bannerman hatte recht: Wenn er die Vorwürfe, die man gegen ihn erhoben hatte, nicht entkräften konnte, musste er versuchen, sich anderswo eine Zukunft aufzubauen. Und Caroline – das beschloss er in diesem Moment – würde eine wichtige Rolle in dieser Zukunft spielen.
Er las den Brief zum fünften oder sechsten Mal, als es an der Tür klopfte. Einer der Hoteldiener überbrachte ihm eine Nachricht. „Eine Dame möchte Sie sprechen, Sir.“ Er hielt Max ein Tablett mit einer aufwendig gestalteten Visitenkarte entgegen.
Da keine Dame jemals einen Gentleman allein in seinem Hotel aufsuchen würde, wusste Max sofort, was die halb entrüstete, halb amüsierte Miene des Dieners zu bedeuten hatte. Er warf einen Blick auf die Karte und stellte fest, dass es Juliana von Stenhoff war, die ihn zu sehen wünschte. Zu ihr hatte er ein lockeres, aber durchaus leidenschaftliches und sehr kostspieliges Verhältnis unterhalten, als er sich während des Wiener Kongresses in der Stadt aufhielt.
„Hat die Dame erwähnt, wo sie wohnt?“
„Sie wartet in der Eingangshalle, Sir. Und sie bittet darum, jetzt gleich von Ihnen empfangen zu werden.“
Seine Neugier war geweckt. Was, um Himmels willen, wollte die Kurtisane von ihm? „Schicken Sie sie herauf“, sagte er.
Obwohl er noch nicht lange in Wien war, wunderte es ihn nicht, dass Juliana von seiner Anwesenheit erfahren hatte. Sie hatte ein Netz von Informanten und war zudem mit fast allen wichtigen Männern in der Stadt bekannt. Zweifellos wusste sie auch, warum er nach Wien gekommen war.
Vielleicht wollte sie, genau wie Lord Bannerman, herausfinden, ob er bei seiner Suche nach Madame Lefevre Erfolg gehabt hatte. Max nahm an, dass sie eine für eine Kurtisane ungewöhnlich tiefe Zuneigung zu ihm gefasst hatte und entsetzt über die Umstände gewesen war, unter denen er die Stadt hatte verlassen müssen.
Schade, dass er ihr nicht voller Stolz würde verkünden können, dass sein guter Ruf wiederhergestellt war.
Wenig später segelte Juliana von Stenhoff in den Raum. „Max, ich freue mich so, Sie zu sehen!“, rief sie und bot ihm ihre gepuderte Wange zum
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