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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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einem einverständigen Geplänkel mit scherzhaft erhobenem Zeigefinger. Will sie Isa beruhigen? Erinnert sie sich wirklich so beschönigt an den Vorfall? Bin ich die, die mal wieder hemmungslos übertrieben hat?!
    Bis zum Mittag setze ich meine aufmerksame Runde fort. Ich brauche doppelt so lange wie sonst und fühle mich sehr gut damit. Frau Klein wirkt auch heute sehr schwach, doch sie lächelt.
    Â»Wie geht es Ihrer Freundin?«
    Ich erzähle ihr von der Vereinbarung, die die Ärzte für Isa getroffen haben, und Frau Klein hält die Abmachung für sehr gut.
    Â»Sie wird es schaffen«, flüstert sie. »War sie auf dem Rummel?« Ich nicke. Frau Klein lächelt zufrieden. »Das hilft.« Dann bekommt sie einen schrecklichen Hustenanfall. Einen kurzen Moment bin ich völlig hilflos; dann geht die Medizinerin in mir auf Autopilot. Aufrichten, den Rücken richtig stützen. Ich helfe Frau Klein auf, sie hustet fürchterlich, ringt kraftlos nach Luft. Als sie sich etwas beruhigt hat, gieße ich ihr ein Glas Wasser ein und helfe ihr trinken. Sie nimmt ganz kleine Schlucke, wie ein kranker Vogel. Ihre Haut ist blass, fast durchscheinend, der Atem geht schwer. Vorsichtig bringe ich sie wieder in eine halb sitzende Position – und was sagt die reizende alte Dame als Erstes, nachdem sie wieder genug Luft für ein Wort zusammengerungen hat? »Entschuldigung.«
    Ich muss lachen und beruhige sie; es gibt nichts zu entschuldigen. Doch ich werde aufmerksam. Frau Klein beteuert bei jeder Visite, es ginge ihr schon besser und sie brauche nichts. Aber wie oft sagt sie Dinge wie »Ich mache ja schon so viele Umstände«! Hält ihre Bescheidenheit sie davon ab, ehrlich über ihr Befinden zu sprechen? Eine Lungenentzündung ist keinSchnupfen, liebe Omi! Bei älteren Patienten kann eine Pneumonie hässliche andere Erkrankungen nach sich ziehen. Ich beschließe, dass die bescheidene Frau Klein besonders beobachtet werden sollte. Bei der Visite muss ich das Dr. Ross gegenüber erwähnen. (Noch heute Morgen hätte ich mich vertrauensvoll an den geschätzten Oberarzt gewandt. Aber das würde jetzt wohl voll nach Einkratzen aussehen.)
    Zur Mittagspause ist mein Rundgang noch nicht fertig. Ich habe nicht mal gemerkt, dass schon Mittagszeit ist – ich begegne nur einer fröhlichen Jenny auf dem Flur: Sie schlendert aufreizend langsam vor einer Gruppe Schwestern her, die ebenfalls zur Cafeteria wollen. Ich werde unfreiwillig Teil der Präsentation, denn als ich aus Zimmer 15 komme, nutzt Jenny die Gelegenheit, mir überlaut zu erzählen, wie nett es sei, jetzt eine lange Pause zu machen. Ich weiß, dass sie nur Schwester Klara ärgern will, deshalb warte ich, bis sich der Schwesternpulk vorbeigedrängt hat, ehe ich erkläre, dass ich das Essen ausfallen lassen muss, wenn ich vor der Visite meine Runde schaffen will.
    Â»Also, ich gehe!«, erklärt Jenny rigoros. »Ich kämpfe mir doch nicht mühsam meine Pause zurück, um sie gleich wieder für was anderes zu opfern!«
    Ich verstehe sie – und würde gerne noch mal den Trick sehen, bei dem sie gleichzeitig Mittag isst und Klaras Laborergebnisse holt, aber ich gehe trotzdem nicht mit. Ich war weder bei Manuel, noch habe ich den neuen Patienten in der 17 kennengelernt. Wegen meiner Langsamkeit gerät ohnehin schon alles in Verzug. Die Laborjungs werden sauer genug sein, wenn ich diese zwei Proben mit Verspätung nachliefere.
    Ich hebe mir Manuel als krönenden Abschluss auf und schiebe eben ins Zimmer 17, als Dr. Thalheim über den Gang eilt. Na klar, jetzt gehen ja alle zum Mittag. Es ist zu spät zum Weggucken, wir hatten schon Blickkontakt.
    Â»Sie sind ja noch hier«, sagt er knapp.
    Wo soll ich sonst sein?! »Ich kann heute keine Mittagspause machen«, entgegne ich kurz.
    Er nickt. »Das hätte mich auch enttäuscht.«
    Damit verschwindet er in Richtung Cafeteria, ohne sich noch mal umzusehen. War das Ermahnung, Lob oder Nachtreten? Ich kann es nicht einordnen. Lieber nicht grübeln, in so einem Fall ist immer Optimismus empfohlen. Wenigstens weiß er im Grunde seines Herzens, dass ich im Grunde des meinen ein guter Mensch bin. Das muss wohl erst mal reichen.
    Der 17er ist eine hübsche junge Frau, vielleicht Anfang dreißig. Ich grüße sie freundlich, sie antwortet nicht. Ich stelle mich höflich vor und rede ein

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