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Miss Emergency

Miss Emergency

Titel: Miss Emergency Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Rothe-Liermann
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wir uns in Ihrem nächsten Tertial.«
    Sie ist schon fast zur Tür hinaus, als die Frage über meine Lippen drängt. »Gestern … War das Ihre Patientin?«
    Dr. Al-Sayed nickt. Ich sehe, dass sie traurig ist. Aber sie ist nicht verzweifelt. »Wissen Sie was«, lächelt sie, »ich bin sicher, Ihre Patientin schafft es.«
    Kurz vor Mitternacht öffnet sich die Tür erneut. Ich staune nicht schlecht: Isa. Sie fragt lieb, ob sie mich stört, aber sie hat sich schon einen Stuhl mitgebracht. »Ich kann dich doch hier nicht allein lassen …«, sagt sie leise. Eine Weile sitzen wir still. Isa hat Tom nicht angerufen. Sie sagt, sie wisse nicht, was sie ihm sagen soll. Vielleicht hat sie sich auch nicht getraut. Wenn ich irgendwann wieder Zeit für ein normales Mädchenleben habe, sollte ich Tom vielleicht mal anrufen. Es wird kühl, irgendwann breite ich Hannas Wolldecke um uns. Wir sitzen schweigend.
    Heute Nacht reißen die Überraschungen nicht ab; mit dem nächsten Besuch habe ich ehrlich nicht gerechnet. Dabei ist er das Logischste der Welt. Jenny kommt direkt von ihrem Date. Sie ist aufwendig geschminkt, trägt ein todschickes Kleid – und das Papp-Tragetablett einer Coffeeshop-Kette.
    Â»Wusste ich doch, dass ihr hier seid«, sagt sie, stellt den Pappträger ab und verteilt Kaffeebecher und Muffins.
    Isa nimmt ihr verdutzt den Kaffee ab und wirkt ebenso irritiert wie ich. Ist das Jennys Art der Entschuldigung – einfach so zu tun, als sei nichts gewesen? Jenny setzt sich auf die andere Seite neben mich und hüllt sich ebenfalls in einen Deckenzipfel. Da sitzen wir nun, alle drei unter einer Decke. Und jetzt? Soll eine Aussprache kommen? Bin ich irgendwie dafür verantwortlich? Oder finde ich es einfach nur schön, dass sie beide da sind und genieße es lieber schweigend?
    Es dauert fast eine halbe Stunde. Dann sind die Muffins verputzt, die Kaffeebecher leer.
    Isa zieht ein bisschen an der Decke, hüllt sich ein wenig fester ein und sagt in den Raum: »Ich treffe ihn wirklich nicht mehr. Ich hab ihn nicht angerufen.« Pause.
    Dann zieht Jenny, an meiner anderen Seite, auch ein wenig mehr von der wärmenden Decke um sich und sagt: »Das ist Quatsch.« Beide sind sehr nah herangerückt. Isas Parfum ist eine Mischung aus Naturkosmetik und Romantik, Jenny riecht wie ein teurer Laden. Eine Weile sagen wieder beide nichts, dann hält Isa es nicht mehr aus.
    Â»Du bist mir wichtiger«, sagt sie leise.
    Mir kommt dieses Zugeständnis irgendwie falsch vor. Aber zum Glück empfindet das Jenny wohl endlich ähnlich.
    Â»Vergiss es, Isa«, sagt sie. »Das ist an so eine egoistische Kuh echt verschwendet.« Jenny zieht an der Decke; sie wird irgendwie kleiner. »Ich will ihn doch eigentlich gar nicht mehr.«
    Wir sind sprachlos über die plötzliche Selbsterkenntnis – und dass sie es auch noch schafft, sie einzugestehen!
    Jenny sieht auf, ein winziges Lächeln ist in ihrem Gesicht. »Kennt ihr das etwa nicht? Man will gar nichts mehr von einem Typen und eigentlich würde man ihn keine Sekunde vermissen … Aber für IHN möchtest du trotzdem das Wichtigste sein. Du willst, dass er dich braucht und vermisst, einfach, weil es schön ist, wenn dich jemand so sehr liebt. Das gibt man nichtgerne ab, auch wenn man fairerweise zugeben müsste, dass man diese Sehnsucht niemals erfüllen will.« Jenny sieht uns offen an. Vielleicht hat sie schon vergessen, dass es grade noch um eine Entschuldigung ging – jetzt ist sie nur noch einem Phänomen auf der Spur, das sie mit ihren Freundinnen bequatschen muss.
    Â»Ich versteh das«, sagt Isa. »Obwohl eigentlich ich diejenige sein sollte, die von dieser Art Bestätigung abhängig ist.«
    Wie viel Selbsterkenntnis wollen sie denn noch in unser kleines Krankenzimmer ballen? Und als Krönung meiner Überraschung lächelt Isa und sagt: »Aber wenn es irgendwann genügt, dass alle anderen 3 Milliarden Männer dir verfallen sind und du doch auf Toms Ergebenheit verzichten kannst, wäre es toll, wenn du mir Bescheid sagst.«
    Ich kann nicht anders, ich muss lachen. Und Jenny, Egoistin, Dickkopf und reuelose Rechthaberin, zeigt wieder, warum sie trotz ihrer Schwächen die liebenswerteste Freundin ist: weil sie sie kennt. Jenny nämlich schnaubt und erklärt ungeniert: »Er ist mir ja nicht mehr

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