Miss Emergency, Band 4: Miss Emergency , Operation Glücksstern (German Edition)
wird mir gerade nur schlecht.« Na, dazu fällt mir auch nichts mehr ein.
Mit dem eindringlichen Rat, sich wenigstens eine Stunde Ruhe zu gönnen, verabschiede ich mich. Aber ich weiß: Isa wird sich auch heute nicht ausruhen. Sie wird noch in genau derselben Haltung über dem Lehrstoff sitzen, wenn ich am Abend zurückkomme.
Die PJ-Fortbildung mit Dr. Zhōu ist weit angenehmer als bei Dr. Thiersch. Sie lässt uns von unseren Erfahrungen auf der Gynäkologie berichten und stellt fallbezogene Zwischenfragen.
»Anders wird es in der Prüfung auch nicht ablaufen«, erklärt sie. »Im Gegensatz zu anderen Fächern können wir Sie in der Gyn ja schlecht etwas an einer Patientin vormachen lassen.«
Wir lachen pflichtschuldig und ich stelle mir nur kurz vor, wie Dr. Thiersch, die ja mit der Prüfungsgruppe mitgehen müsste, im Kreißsaal die Schwangeren zur Rede stellt, warum es so lange dauert. Ich als Baby würde mich im Mutterleib festkrallen und auch die nächsten drei Tage nicht ans Licht der Welt kommen.
Das ist der einzige Nachteil an dieser lockeren Konsultation: bei Dr. Thiersch könnten sich meine Gedanken keinen winzigen Abstecher leisten, ich würde jeden einzelnen brauchen, um ihre überschallschnellen Ausführungen einzufangen und festzuhalten. Hier aber beschäftigt sich die Hälfte meines Hirns schon wieder themenfremd. Und zwar nicht nur mit dem Bild, wie Thiersch-Satz-Raketen durch den Raum pfeifen und meine Gehirnzellen mit Fangnetzen Jagd auf sie machen. Sondern vor allem mit Alex.
Wieso hat mich seine Einladung so glücklich gemacht? Das hat doch nichts mit Tobias’ nüchterner Ein Arzt hofft nicht -Erklärung zu tun? Ich freue mich doch nicht nur, weil Alex auf mich hofft? Geht es mir insgeheim nicht auch längst so, dass es mir um jeden Moment leidtut, den wir nicht zusammen sind, weil Vernunfts-Lena dieses Zusammensein nicht für angemessen hält?
Warum war ich nicht todsterbensunglücklich über Tobias’ klare, kühle Worte und die sachliche Nicht-Liebeserklärung? Traurig, ja. Aber verzweifelt? Eher nicht.
»Und das ist das Ende«, sagt Dr. Zhōu. »Ein sauberer Schnitt.«
Sie spricht von der Nachgeburtsphase, dem Durchtrennen der Nabelschnur. Wir alle nicken. Aber ich meine es anders.
Ich brauche auch einen sauberen Schnitt. Bevor ich frei in die Welt hinausstolpere. Neben Alex.
Als ich Jenny nach der Fortbildung erkläre, warum sie nicht auf mich warten soll, zieht sie ein mitleidiges Gesicht.
»Ups«, sagt Jenny, »aber du glaubst hoffentlich nicht, dass er sich dann doch noch ins Zeug legt, um dich zu kriegen?«
Ich kann sie beruhigen. Ich erwarte nichts dergleichen. Ich will ihn schon gar nicht erpressen. Ich habe mich entschieden. Und möchte es ihm erklären. Weil er es verdient hat. Weil mir plötzlich alles klar ist.
Heute überquere ich den Flur der Inneren ganz ohne das Gefühl, mich an der ölfarbengestrichenen Wand abstützen zu müssen. Heute wünsche ich mir nicht, dass der Weg sich endlos dehnen würde oder plötzlich durch einen vom Himmel gefallenen Kometen versperrt wäre oder dass das Büro dunkel und leer ist. Heute gehe ich zielstrebig und schnell.
Ich bin hier, weil ich diese neue Lena bin, die der Fairness halber ein Gespräch führen muss, das nicht einfach, aber notwendig ist. Ich bin Alles-durchdacht-Lena. Ich habe mir Sätze zurechtgelegt. Klare, souveräne Sätze. Wir beide haben verdient, dass nichts ungeklärt und seltsam bleibt. Meine vorformulierten Sätze sind eine Diagnose, die hart ist, aber ausgesprochen werden muss. Schonend, aber ehrlich. Und Fast-Dr. Weissenbach drückt sich nicht vor so etwas.
Er öffnet die Tür, meine Füße stehen fest und sicher auf dem Boden, ich sehe ihm fast in die Augen.
»Ich würde gern kurz mit dir sprechen, wenn du Zeit hast.«
»Natürlich, Lena. Komm rein.«
Sie sind alle weg. All meine schönen klaren Sätze verpuffen mit einem armseligen Plopp und ihre Schatten schweben durch sein Büro, zum offenen Fenster hinaus, bevor ich sie einfangen und irgendwie wieder zusammensetzen kann.
Wohin ist diese starke, souveräne Ärztin verschwunden, die grade noch auf dem Flur stand und die all das Perfekt-Ausgedachte hätte sagen können?! In diesem Büro ist sie nicht. Hier steht nur eine verwirrte End-PJlerin, die sich fragt, wer ihr all den Mist eingeredet hat. Offenheit, pah – weiß irgendwer, wie schwer das ist?! Klare Verhältnisse, das sagt sich leicht – von Weitem!
Tobias sieht mich fragend an, ein
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