Miss Lily verliert ihr Herz
begriffen, dass ich mein Leben ändern muss. Doch dazu brauche ich Ihre Hilfe.“
„Ich verspreche, dass ich Ihnen zur Seite stehen werde.“
„Vorhin habe ich Sie beobachtet“, gestand er, „als Sie sich um Mrs. Bartleigh kümmerten. Mir war, als sähe ich einen Engel, der auf die Erde hinabgestiegen ist. Einen Engel mit Augen von der Farbe des Himmels und mit Haaren, die wie Sonnenlicht glänzen.“ Er zögerte kurz, ehe er hinzusetzte: „Einen Engel mit einem teuflisch verführerischen Mund … Ich wusste plötzlich, dass ich in Ihnen, Lily, gefunden hatte, was mir mein ganzes Leben lange gefehlt hat. Ich wünschte, Sie wären mein. Und gleichzeitig fühlte ich, dass mein Wunsch falsch war.“
„Falsch?“, fragte sie verwirrt. „Warum?“
„Weil Sie großzügig und mitfühlend sind, während ich selbstsüchtig handele. Weil Sie stark sind und ich schwach bin. Weil …“ Er wandte sich ab.
„Schluss damit!“ Tränen standen in ihren Augen. „Ich bin nicht vollkommen. Ich bin genau wie Sie ein Mensch mit Fehlern und Schwächen.“ Jetzt war sie es, die zögerte. „Ich bin so abergläubisch, dass ich Angst habe, die Eule könne ein drittes Mal rufen, denn das bedeutet Unglück. Haben Sie den Vogel gehört?“
Beruhigend legte er ihr die Hand auf den Arm.
Sie wandte sich ihm zu, schaute zu ihm auf, lehnte sich schließlich an ihn. „Sie sind nicht schwach. Ihnen fehlt wahrscheinlich nur eine wichtige Erkenntnis. Es ist nämlich so, dass wir alles, was wir anderen geben, zurückbekommen. Wenn ich jemandem helfe, wird jemand für mich da sein, wenn ich Hilfe brauche. Aber wenn ich mich von den ande ren abwende, werden auch sie mir keine Beachtung schenken.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, schloss Jack in die Arme und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Haben Sie denn nicht gespürt, dass ich Ihnen längst gehöre?“, flüsterte sie.
Da zog er sie fest an sich und küsste sie mit leidenschaftlicher Hingabe. Seine Zunge erforschte jeden Winkel ihres Mundes, seine Hände liebkosten ihren Rücken, umschlossen einen Moment lang ihre Hüften, wanderten weiter zu ihren Oberschenkeln.
Lily stöhnte auf. In diesem Moment wusste sie jenseits aller Zweifel, dass Gott selbst den Menschen die Freude am Leben geschenkt hatte und dass es nicht falsch war, diese Freude bis zum Letzten auszukosten. Wie sehr hatte sie sich ihrer Mutter zuliebe bemüht, nur an ihre Pflichten zu denken. Wie sehr hatte diese Art zu leben ihr Herz verdunkelt! Was sie brauchte, waren Liebe, Freude, Gemeinsamkeit, Glück.
Und Jack war der Mensch, der ihr all das, was sie sich wünschte, schenken konnte.
13. KAPITEL
Endlich gab Jack Lilys Mund frei, doch nur, um seine Lippen auf die weiche Haut nahe ihrem Schlüsselbein zu drücken. Ah, wie weiblich und verführerisch sie duftete! Wie hinreißend sie war!
Die Augen geschlossen, legte sie den Kopf in den Nacken und seufzte auf. Jack betrachtete kurz ihr glückliches Gesicht, spürte, wie etwas von ihrer Kraft und Ruhe auf ihn überzugehen schien, atmete tief ein und fuhr fort, ihre Wangen, ihren Hals und ihre Schulter mit kleinen Küssen zu bedecken.
Es dauerte nicht lange, bis sein ganzer Körper vor Leidenschaft brannte. Er zog Lily noch fester an sich und wunderte sich einen Moment lang, dass sie so klein und zierlich schien, obwohl ihre Seele und ihr Herz doch so unsagbar groß waren. Gierig presste er seinen Mund erneut auf ihre Lippen.
Sein Verlangen wuchs, und gleichzeitig ließ seine Selbstbeherrschung nach. Er durfte sich jetzt nicht vergessen! Heftig atmend trat er einen Schritt zurück, ergriff ihre Hand und zog Lily mit sich fort.
„Wohin gehen wir?“, fragte sie atemlos.
„Dorthin, wo niemand uns stört.“
Noch leuchtete der Mond so hell, dass die Wege deutlich zu erkennen waren. Es roch schwach nach Blumen. Obstbäume ragten vor ihnen auf. Und dann lag plötzlich das Cottage vor ihnen.
Lily blieb stehen und stieß ein verwundertes „Oh!“ aus. Jack verstand ihr Erstaunen. Umgeben von Blumen und Büschen sah das kleine Haus im Sternenlicht so romantisch aus, als sei es gerade von Feen errichtet worden.
„Wo sind wir?“
„Das Cottage gehört zum Gasthof, früher war hier wohl die Meierei untergebracht. Mrs. Babbit hat das Häuschen so umbauen lassen, dass es als Unterkunft für diejenigen ihrer Gäste genutzt werden kann, die länger als ein oder zwei Nächte bleiben. Sie hat mir erzählt, dass es besonders gern von Brautpaaren gemietet
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