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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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für die Seite und die dritte für die Zeile oder den Vers. Als sie aber mit dieser Herangehensweise weder im Alten noch im Neuen Testament eine Nachricht fand und nicht einmal mehr sicher war, ob die Bibel überhaupt das richtige Buch war, verfiel sie wieder in eine düstere Stimmung.
    Die Dokumente selbst waren dabei nicht Marys einzige Sorge. Wenn diese etwas mit den Schmugglern zu tun hatten, in was für ein Licht rückte dies dann ihren Onkel? Und nicht zuletzt auch sie selbst? Was, wenn Edward Finch sich als Halunke entpuppte? Falls er tatsächlich ein Schmuggler war, fußten sein Reichtum und damit ihr Erbe dann nicht auf kriminellen Machenschaften? Wie wäre es unter diesen Umständen um ihren »rechtmäßigen Platz« in der Gesellschaft der Grafschaft bestellt? Mrs. Tipton würde ihr auf der Stelle ihre Unterstützung versagen und sich vielleicht auch noch gut überlegen, ob sie Mary weiter in Lindham Hall wohnen ließe. Und Mr. Somerville? Als Friedensrichter würde er nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen. Jeder hätte das Gefühl, getäuscht worden zu sein, oder man hätte Mitgefühl mit ihr, so wie mit zerlumpten, schlurfenden Leuten, denen man zufällig auf der Straße begegnet. Zwar empfand man Mitleid mit ihnen, lud sie aber nicht zu einer Abendgesellschaft ein!
    Auf der Fahrt nach Woolthorpe Manor malte sich Mary aus, wie sie in Ungnade fiele. Sie war gerade an der Stelle angekommen, wo Mr. Hunnable den Damen von der Teegesellschaft eine glühende Predigt über die Sünden der Pfandleiher hielt, als Mrs. Tipton sie mit einem ihrer Stöcke anstieß und fragte, ob sie etwas ausbrüte.
    »Aber nein, Ma’am«, versicherte Mary ihr, richtete sich auf und bemühte sich, lebhafter zu werden. Da die Kutsche knarrte, musste sie lauter sprechen. »Mir geht es gut.«
    »Dann sind Sie müde«, verkündete Mrs. Tipton. »Diese ganze Arbeit ermüdet Sie. Wann wird das ein Ende haben?«
    »Ach, ich glaube, Mr.Todd ist mit dem Inventar fast fertig.« Mary hatte keine Ahnung, ob dies stimmte, doch es hörte sich nach einer unverfänglichen Antwort an.
    »Ja, Mr.Todd«, murmelte Mrs.Tipton, »aber Sie haben recht damit, ihn im Auge zu behalten. Wenn Mr. Brownlowe hier wäre, sähe alles anders aus, aber mit diesem Todd … Und er wird nicht der Einzige sein, der versucht, sich Ihnen aufzudrängen, da können Sie sicher sein. Als eine Dame mit Vermögen - eine junge Dame mit Vermögen - werden Sie alle möglichen unerwünschten Personen anziehen. Das ist eine ganz schöne Verantwortung. Und dann ist da noch die persönliche Seite. Da müssen Sie besonders achtsam sein.« Sie machte eine Pause. »Und dann war da natürlich noch dieser Mann.«
    »Dieser Mann?« , wiederholte Mary ganz überrascht und errötete dann.
    »Na, nun kommen Sie schon«, spottete Mrs. Tipton. »So alt bin ich nun auch wieder nicht, dass ich vergessen habe, was für einen Eindruck ein Militärmantel machen kann. Und wenn der besagte Offizier auch noch schneidig ist und heroische Taten vollbringt, macht er noch mal so viel her.«
    Mary wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Seit seiner Abfahrt hatte sie tatsächlich mehr über Captain Holland nachgedacht, als sie es gemäß der Bedingung ihres Bannspruchs hätte tun dürfen, aber dass er nun so plötzlich zum Gesprächsgegenstand wurde, brachte ihre Gefühle völlig durcheinander. »Er schien mir ein sehr … ehrenhafter Mann zu sein«, brachte sie zaghaft vor.
    Mrs. Tipton kommentierte ihren Satz über Hollands Ehrenhaftigkeit mit einem verächtlichen Schnauben. »Ich gebe ja zu, dass er sich lobenswert verhalten hat, und Sie haben ihm sicher in angemessener Manier dafür gedankt. Aber eine Verbindung darüber hinaus …« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist mehr als offensichtlich, dass er nicht vermögend ist, und was wissen wir denn schon über seinen Charakter? Seine Umgangsformen waren in jedem Fall rau. Die Familie ist zwar nicht anstößig - ich meine Sir William Armitage von Storey’s Court in Norfolk.«
    »Ja.«
    »Aber sie sind nur entfernt verwandt mit ihm, wohingegen diese Hollands - Kaufleute vermutlich - und eines dieser Armitage-Mädchen mit ihrem Spatzenhirn eine entsetzliche Mesalliance eingegangen sind. Für solche Leute habe ich keinerlei Verständnis, und Sie sollten sich keinesfalls auf einen … Brauer oder Gastwirt einlassen. Das wäre ein Desaster. Mr. Déprez scheint da eher etwas zu sein. Sein hohes Einkommen und die Freundschaft mit Mr. Somerville sprechen

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