Miss Mary und das geheime Dokument
Art fehlte ihr die Übung, die Déprez in solchen Dingen besaß. Deshalb zögerte sie. »Ich … Ich bin mir nicht sicher, was Captain Holland anbelangt.«
»Aber er muss schuldig sein«, fuhr Déprez fort. Jetzt hörte er sich an, als wolle er sie überreden. Er hatte sein Selbstvertrauen wiedergefunden und hielt die Arme lose über der Brust verschränkt. »Schließlich taucht er auch in diesen Papieren auf. Ihrer Ansicht nach ist er genauso schuldig, wie ich es bin - oder noch schuldiger, weil er namentlich genannt wird.«
»Vielleicht. Aber sein Name steht nicht in Mr. Sehlers Papieren«, konterte Mary, »nur in denen, die Hicks Mr. Hudson gab. Woher haben Sie diese Papiere? Wie können wir wissen, dass sie nicht gefälscht sind?«
Déprez mochte es lieber, wenn sie neugierig die Stirn kräuselte. »Woher wir das wissen, dass diese ganzen Papiere nicht gefälscht sind? Sie vergessen, Miss Finch, dass ich die Verräter seit mehreren Monaten jage.« Einen kurzen Moment überlegte er, es mit Herablassung zu versuchen, dann entschied er sich jedoch dagegen. Er bezweifelte, dass sie sich von oben herab behandeln ließe, und schon gar nicht in ihrer derzeitigen Gemütsverfassung. Stattdessen fuhr er besonnen fort: »Warum um alles in der Welt sollte ich mich diesem ganzen Ärger aussetzen, wenn ich einfach verschlüsselte Dokumente mit Namen von Männern darin hätte anfertigen können? Und was für einen Vorteil könnte ich daraus ziehen?«
»Das weiß ich nicht«, musste sie zugeben. Dieses Problem hatte sie in der Tat beschäftigt, als sie allein in Hudsons Büro gesessen hatte. Ihr entging allerdings nicht, dass Déprez versuchte, sie durcheinanderzubringen oder von dem wirklich Wichtigen abzulenken, und sie schüttelte den Kopf. »Warum hatte Sehler die Männer aus St. Lucia erwähnt? Und warum wollten Sie seine Papiere sehen? Weil Sie um ihre Echtheit wussten und befürchteten, sie könnten Sie verraten.«
Dann redeten beide gleichzeitig, und Hudson musste sie abermals zur Ordnung rufen. »Lassen Sie mich sehen, ob ich das richtig verstehe«, sagte er stirnrunzelnd. »Miss Finch, Sie sagen, dass die Papiere von Sehler echt sind und Déprez beschuldigen.«
»Ja.«
»Aber die anderen Papiere - die, die Sie in White Ladies fanden und diejenigen, welche Hicks mir gab - sind gefälscht.«
»Ja, vielleicht.«
»Obwohl die Verschlüsselung durchgängig dieselbe ist...«
»Ja, ich weiß«, gestand Mary ein, »und Captain Holland zufolge sind die Informationen der in White Ladies gefundenen Papiere echt.«
»Nun, es gibt zu viele dieser verdammten Papiere. So viel steht schon mal fest«, beklagte sich Hudson, »trotzdem ist Captain Holland immer noch der Mann, hinter dem wir her sind, und für mich hört es sich so an, als ob die Chancen, ihn in Marylebone aufzuspüren, nicht so schlecht stehen. Darum müssen wir uns dorthin aufmachen.«
»Ja, natürlich«, drängte Mary ihn, »aber … was ist dann mit Mr. Déprez?« War es möglich, dass Hudson die Gefahr gar nicht sah? So langsam konnte er doch unmöglich denken, aber vielleicht schenkte er ihr einfach keinen Glauben.
»Mr. Déprez wird so gut sein und hierbleiben.« Hudson hob die Hand, um Déprez zu bedeuten, nichts zu sagen. »Im Augenblick habe ich genug von Ihren Erklärungen gehört, Sir. Wir werden wohl warten müssen, bis Captain Holland uns seine Erklärungen liefert. Miss Finch, seien Sie bitte so gut, laufen Sie nach unten und bitten Constable Burt hochzukommen. Ich rate Ihnen, keine weiteren Schwierigkeiten zu machen, Sir.«
»Wollen Sie damit sagen, Sie glauben diesen Unfug?«, rief Déprez aus. »Denken Sie daran, ich habe versucht, Ihnen zu helfen! Wer hat Holland dingfest gemacht, der andernfalls verschwunden wäre? Das war ich. Miss Finch hat einen Schock erlitten. Das haben Sie selbst gesagt. Sie weiß nicht, was sie da gerade von sich gegeben hat.«
»Natürlich weiß ich das.«
»Ruhe!«, befahl ihnen Hudson. »Wir haben uns beim Rest dieser verdammten Papiere auf Sie verlassen, deshalb werden wir es auch bei diesen Dokumenten tun.«
»Sie haben also vor, mich in Gewahrsam zu nehmen, während Sie Holland stellen wollen?«
»Genau das werde ich tun.«
»Weil Sie glauben, ich sei was genau ? Ein Spion?«
»Weil ich nicht weiß, was Sie sind, und ich das herausfinden will.«
»Sie machen einen großen Fehler«, warnte Déprez ihn. »Ich nehme an, Sie haben schon mal von Freiheitsberaubung gehört?«
»Das habe ich, und ich werde
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