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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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der Räuber sein, aber was hatte er vor? War ihre Flucht entdeckt worden? Suchte er nach ihr? Womöglich hielt er auch nach jemandem Ausschau, der in dieser Nacht zum Haus kam? Seine Schritte verlangsamten sich und wurden lauter, sobald er auf ihre Straßenseite wechselte. O Gott … Bestimmt würde er sie nicht entdecken, wenn sie sich nicht bewegte und nichts Dummes anstellte … Er blieb stehen, aber sie wagte nicht aufzusehen, um herauszufinden, was er tat. Dann ging er bedächtigen Schrittes weiter.
    Während vorher die Zeit langsam verstrichen war, ging nun alles ganz schnell. Die Schritte verklangen, aber plötzlich bemerkte sie, wie eine bleiche, geisterhafte Gestalt fast direkt vor ihr aus der Dunkelheit auftauchte.
    »Hallo?«, flüsterte jemand. »Sind Sie hier, Miss?«
    Ihre Erleichterung war groß, als sie seine Stimme erkannte. »Ich bin hier«, erwiderte sie ebenso leise, erhob sich schwankend und lief auf ihn zu. Fast zu spät bemerkte sie, dass dort noch etwas anderes war, etwas Dunkleres und Größeres. Um ein Haar wäre sie seitlich gegen das Pferd gelaufen.
    »Vorsicht«, warnte Holland sie und hielt sie mit dem Arm fest.
    »Gütiger Himmel, Sie … Haben Sie ihn gesehen?«
    »Wen?«
    »Den Mann auf der Straße. Sie müssen ihn gesehen haben. Er war gerade erst hier.«
    »Nein.«
    Mary blickte angstvoll nach beiden Seiten, während Holland die Sattelgurte einstellte. Der Regen prasselte. Das Pferd machte einen schrecklichen Lärm, wie es mit den Hufen auf den Boden stampfte, dazu warf es den Kopf hin und her.
    »Entweder sind Sie an ihm vorbeigelaufen«, beharrte sie, »oder … Aber Sie können sich doch nicht völlig unbemerkt angeschlichen haben, nicht mit dem Pferd.«
    Holland achtete gar nicht auf das, was sie sagte. »In Ordnung«, sagte er nur, »Sie werden erst mal seitlich aufsitzen müssen, aber dann können Sie sich umdrehen.«
    »Aber ich bin noch nie geritten. Oh!« Ihr Eingeständnis wurde unterbrochen, da er sie plötzlich hochhob und auf einen hohen, wackeligen Sitz bugsierte. Um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, hielt sie sich an Hollands Schultern fest.
    »Es ist leichter, wenn Sie keine Zeit haben, darüber nachzudenken«, sagte er. »Wenn Sie jetzt …«
    Marys erschreckter Aufschrei unterbrach ihn jedoch. Hinter ihnen leuchtete plötzlich ein Licht auf. Jemand hielt eine Laterne hoch und forderte sie auf: »He, Sie da! Stehen bleiben!«
    »Scheiße!«, murrte Holland. Er blickte kurz nach hinten, dann schwang er sich hinter ihr aufs Pferd.
    Abermals erklang die Stimme: »Stehen bleiben!«
    Das Pferd geriet mächtig ins Schwanken, und Mary stockte der Atem, als sie sich in die Leere neigte. Holland zog mit einer Hand heftig an den Zügeln, mit der anderen umfasste er Mary. Mit geschlossenen Augen klammerte sie sich nun an ihn, während sie losgaloppierten.
    Das Donnern der Pferdehufe und Marys innerer Aufruhr übertönten alle anderen Geräusche, aber es war unbestreitbar, dass jemand sie gesehen hatte.Verfolgte man sie nun etwa? Sie ritten unglaublich schnell, aber gerade als Mary sich an diese ungewohnte Bewegung unter sich gewöhnt hatte, änderte das Pferd seinen Rhythmus und machte einen Satz nach rechts. »Weiter, du Bastard«, drängte Holland. Mary keuchte, weil die unerwartete Veränderung sie mit voller Kraft gegen Hollands Arm warf, mit dem er das Pferd zügelte. Dann ritten sie weiter. Als das Pferd wieder einen Haken schlug, kippte sie nach vorn. Sie hatte das Gefühl, seitlich hinunterzurutschen, war aber zu verängstigt, etwas dagegen zu tun. Bei jedem Sprung rutschte sie ein Stück tiefer. O mein Gott , betete sie, bitte mach, dass das aufhört .
    Und mit einem Mal hörte es auf. Zumindest trabten sie nur noch, und dann ritten sie im Schritttempo. Mary stieß einen erleichterten Seufzer aus, woraufhin Holland sie vor sich in eine bequemere Position brachte. Als sie die Augen öffnete, war alles um sie herum wieder still. Man hörte nur den prasselnden Regen und das schwere Schnaufen des Pferdes, das wohl nicht daran gewöhnt war, aus dem Stand zu galoppieren. Die Straße hatten sie nun verlassen und ritten auf einem schmalen Weg. Alle anderen Geräusche schienen die Blätter am Boden und die verkümmerten Bäume und Büsche zu beiden Seiten aufzusaugen.
    »Bei Ihnen alles in Ordnung?«, fragte Holland.
    »Ja, ich … Haben wir … haben wir ihn abgehängt?«
    »Ich glaube schon. Er war zwar zu Fuß, aber ich wollte einfach nur weg von dort. Die haben Pferde

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