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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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tatkräftiger Unterstützung von Mr. Cuff, der eine seltsame Strickmütze mit Ohrenklappen trug, aus dem Wagen stieg, zogen sie weitere neugierige Blick auf sich. Also konnte Mary auch nicht schnell zur Kanzlei des Advokaten hinübereilen, wie sie es sonst getan hätte. Vielmehr packte sie nun aus lauter Verlegenheit Mrs. Tipton am anderen Arm, um sie schneller zum Eingang von Mr.Todds Kanzlei zu bugsieren.
    Glücklicherweise öffnete ihnen bereits nach dem ersten heftigen Klopfen ein aufmerksamer Bediensteter. Drinnen führte man sie in ein behagliches Wartezimmer, und Mr. Todds Sekretär bot ihnen Tee und eine Auswahl an Gebäck und Sandwiches an. So hatte Mary genügend Zeit, ihre Fassung wiederzugewinnen. Es gelang ihr auch, Mrs. Tipton etwas zu beschwichtigen, die Marys unsanfte Behandlung verärgert hatte. Als der Hausherr erschien, waren beide wieder einigermaßen guter Dinge.
    Mr. Todd geleitete sie in sein Büro, einen kleinen Raum mit dunkler Holztäfelung, in dem es nach Papier und altem Leder roch, und wies Mary den Stuhl gegenüber seinem Schreibtisch an. Mary genierte sich inzwischen sehr wegen ihrer schäbigen Stiefel. Daher stellte sie ihre Füße auf die Quersprosse ihres Stuhls, um sie bestmöglich zu verbergen. Mrs. Tipton blieb nichts anderes übrig, als sich auf dem einzigen weiteren Sitzmöbel im Raum niederzulassen, einem Sessel, der zwar größer und bequemer war und näher am Kamin stand, sich aber abseits befand und es ihr nicht ermöglichte, sich direkt am Gespräch zwischen dem Advokaten und Mary zu beteiligen. Wovon sich Mr. Todd bei der Anordnung der Sitzgelegenheiten hatte leiten lassen, war indes schwer zu sagen.
    Seine bedächtige Art verriet zumindest eine große Umsicht. Mit leiser Stimme und höflichem Ernst stellte er Mary einige Fragen und notierte sich ihre Antworten sorgfältig in einem Notizbuch. Nach jedem erfolgten Eintrag neigte er leicht den kahlen Kopf und hob dann wieder den Blick, um mit seiner Befragung fortzufahren. Im Anschluss an die Begutachtung der beiden typgleichen Taschenuhren und der Lektüre des Briefs, den Mary von ihrem Onkel erhalten hatte, nickte er abermals. Ja, er hatte die Uhr mit der Gravur E.S.F. schon einmal gesehen, und er erkannte Mr. Finchs Handschrift in dem Brief. Allmählich begannen die Informationen in beide Richtungen zu fließen. Mr. Todd hatte keine Kenntnis von Marys Existenz gehabt. Er wusste, dass Mr. Finch einen Bruder hatte, aber als einzige Adresse war ihm die in Oxford bekannt, welche jedoch hoffnungslos veraltet war. Zum Glück hatte sich Mr. Finch daran erinnert, dass Mr. Richard Finch danach in Bath wohnte. Es gab zwar Hinweise auf entferntere Verwandte, von denen aber niemand in der Nähe lebte: eine Familie mit Namen Bagot in Hampshire und eine Cousine mütterlicherseits in Surrey.
    Mr. Todd hielt inne und überlegte, wie man am besten verfahren sollte. »Selbstverständlich werden einige weitere Prüfungen erforderlich sein - erforderlich, um mir in meiner treuhänderischen Eigenschaft als Mr. Finchs juristischem Beistand Gewissheit zu verschaffen -, aber ich hoffe, diese Prüfungen können in kurzer Zeit und mit wenigen Unannehmlichkeiten erfolgen.« Er räusperte sich. »Angesichts dieser erforderlichen Prüfungen wäre es allerdings nicht korrekt, bereits jetzt die Einzelheiten von Mr. Finchs testamentarischen Verfügungen bekannt zu machen.«
    »Natürlich wäre das nicht korrekt«, fauchte Mrs.Tipton aus der Tiefe ihres Sessels heraus, und ihr nachhaltiges Bemühen, etwas über diese Einzelheiten zu erfahren, ließ sie noch vehementer sprechen. »Ganz und gar nicht korrekt.«
    »Dennoch glaube ich, verantworten zu können, Miss Finch die Art dieser Verfügungen in groben Zügen zu erläutern.« Wieder nickte er. »Mr. Finch - oder ich darf wohl so weit gehen zu sagen, Ihr Onkel, Mr. Finch - war ein sehr zurückgezogen lebender Gentleman. Er neigte nicht zu belanglosen Plaudereien und hatte nur wenige engere Freunde oder Bekannte. Er war aber ein sehr wohlhabender Mann, was Grundbesitz und sonstiges Hab und Gut anbelangt. Diese Umstände veranlassten ihn vermutlich zu seiner testamentarischen Verfügung, die auf den ersten Blick vielleicht etwas … wunderlich anmuten mag, aber eigentlich sehr vernünftig ist. Und ich sollte hinzufügen, dass diese Verfügungen Ihren Erbteil nicht wesentlich schmälern dürften.«
    »Hat er ein Testament hinterlassen?«, fragte Mary.
    »Ja und nein. Er verfasste ein Testament über seine

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