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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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bewegliche Habe. Dazu gehören verschiedene allgemeine und besondere Vermächtnisse, und er bestimmte Mr. Richard Finch zum Testamentsvollstrecker.«
    Mary setzte sich abrupt auf. »Meinen Vater - er hat meinen Vater in seinem Testament genannt!«, rief sie aus, und einen Augenblick lang fürchtete Mr. Todd, sie würde sich, von heftigen Gefühlen überwältigt, gleich über den Schreibtisch zu ihm hinüberbeugen. Diese Gefahr bestand jedoch nur kurz, dann sank sie auf ihren Stuhl zurück. Dafür lächelte sie ihn jetzt wie verklärt an. »Oh, Sir«, hauchte sie, »diese Neuigkeit macht mich sehr glücklich.«
    »Ja, in der Tat«, pflichtete ihr Mr. Todd bei, »das möchte ich meinen, denn da Richard Finch vor dem Erblasser verschieden ist …«
    »Nein, nein, Sie verstehen mich falsch. Ich denke dabei nicht an mich, sondern an meinen Vater - und meinen Onkel. Es bestand lange Jahre ein Zerwürfnis zwischen den beiden, müssen Sie wissen, und sie haben sich nie wieder versöhnt. Und trotzdem hat es diese Aussöhnung gegeben, wenn auch nur im Geiste meines Onkels, weil er sich gewünscht hat, dass mein Vater ihn beerbt.« Marys Miene hellte sich weiter auf, nun strahlte sie fast. »Und deshalb hat er mir wohl auch geschrieben. Ich habe mir darüber den Kopf zerbrochen, müssen Sie wissen, denn sein Brief war mehrdeutig formuliert. Er muss sich gewünscht haben, sich mit mir auszusöhnen. Sicher werden Sie sagen, dass das den Tod meines Onkels noch schmerzlicher erscheinen lässt, weil wir uns nicht mehr kennenlernen durften, und das sehe ich auch so. Für mich ändert sich aber jetzt, wo ich sicher weiß, dass er sich versöhnen wollte, alles .«
    Mr. Todd bewahrte seine ernste Miene, und Mary wandte sich an Mrs. Tipton. » Sie verstehen mich doch sicher, Ma’am?«
    »Natürlich«, erwiderte Mrs. Tipton und bedachte den Advokaten mit einem überheblichen Blick. »Und es ist eine völlig angebrachte und für eine Dame angemessene Empfindung.«
    »Ähm, ja«, pflichtete Mr. Todd ihr bei. »Harmonie in der Familie ist stets wünschenswert.« Er schob die vor ihm liegenden Unterlagen zusammen, legte sie ordentlich hin und arrangierte sie dann wieder wie zuvor. So versuchte er, seinerseits Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen. Anschließend fuhr er in demselben ernsten Ton wie vor dieser Unterbrechung fort. »Da Mr. Richard Finch vor dem Erblasser verschieden ist, fällt das Erbe entweder dem Testamentsvollstrecker«, und hier beugte er sich leicht nach vorn, »oder den nächsten Anverwandten zu, wenn das Testament keinen Hinweis darauf enthält, dass der Erblasser einen solchen Anspruch bezüglich des Testamentsvollstreckers vorgesehen hatte.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, Mr. Finch könnte je einen solchen Anspruch intendiert haben«, entgegnete Mrs. Tipton scharf. »So töricht war er nicht.«
    »Richtig, Ma’am. Das Testament ist in diesem Punkt eindeutig; der Testamentsvollstrecker hat keinen Anspruch. Hinsichtlich seines Grundbesitzes, zu dem das Anwesen White Ladies und verschiedene weitere ertragreiche Höfe und Pachten gehören, hinterließ Mr. Finch keine testamentarische Verfügung. Diese fallen demzufolge nach geltendem Recht seinem gesetzlichen Erben zu.«
    »Und können Sie den Erben und die nächsten Angehörigen ausfindig machen?«
    »Ja, Ma’am, ich glaube, das wird gelingen. Obgleich bei der Identifizierung von Erben und Blutsverwandtschaften verschiedene Prüfungen erfolgen müssen, würden sie in diesem Falle dasselbe Ergebnis zeitigen. Vorausgesetzt, Miss Finch kann ihre Identität als einziges ehelich geborenes Kind von Mr. Finchs einzigem Bruder nachweisen, dann ist sie sowohl Erbin als auch engste Verwandte.«
    »Ah.« Mrs. Tipton nickte. »Gut zu hören.«
    Mr. Todd stimmte ihr zu, insbesondere da der Nachlass aus Mr. Finchs beweglichem Vermögen und seinem gesamten Grundbesitz wirklich beträchtlich war. Er hielt kurz inne, bevor er diese Worte aussprach, und Mary verspürte ein seltsames Schwindelgefühl, eine bis dahin nie gekannte Empfindung. Sie war reich - oder vielmehr, sie würde reich sein! Sie würde White Ladies besitzen und darüber hinaus weitere ertragreiche Höfe und Pachten! Dieser umfangreiche Nachlass gehörte bald ihr! Sie könnte Bedienstete haben, eine Kutsche und … alles, was sie wollte! Diese Mitteilung war nicht befremdlich, sie kam noch nicht einmal unerwartet - aber bis zu diesem Augenblick hatte sie nie voll und ganz daran geglaubt. Und jetzt war es tatsächlich

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