Miss Seeton kanns nicht lassen
tiefer und bewegte sich, und ebenso der Sack, in dem es jetzt leise klirrte. Ogottogott. Miss Seeton hielt ihn fest, aber er war schwer. Wieder neigte sich der Wagen, als sähe er ihr Dilemma; und der Sack fiel heraus. Miss Seeton zog. Der Sack, jetzt wasserbeschwert, rührte sich nicht. Aber sie konnte doch die Sachen nicht hier liegenlassen! Sie konnten ja jemandem gehören. Wieder hob sie ihn an, zog und riß und hievte ihn in die Höhe, und langsam hob er sich und wurde leichter, als das Wasser herausfloß. Sie schob ihn mühsam auf die Böschung. Er wollte nicht liegenbleiben. Sie schob die Schulter unter den Sack, nahm ihren Schirm und spießte die Spitze oben durch den Sack in den Erdboden. Er blieb wie angenagelt an der Böschung liegen. So – das war erledigt.
Miss Seeton fühlte einen leichten Schwindel und machte eine kurze Pause. Ihre Zähne begannen vor Kälte zu klappern. Dumpfe Mattigkeit nahm von ihr Besitz; die Umgebung wurde unwirklich und verschwamm. Reiche Gaben an Silber und Juwelen…. aber so blond durfte sie doch wirklich nicht sein. Und gleich darauf lange dunkle Strähnen…. paßte viel besser. Alles Forschungsarbeit, vermutlich. Miss Seeton schwankte und saß plötzlich im Wasser, das ihr bis zum Kinn reichte. Zu dumm. Sie versuchte es wegzuschieben, und die Bewegung weckte sie auf. Also das ging auf keinen Fall. Es waren schon Menschen in Eis und Schnee eingeschlafen, aber hier im Kanal einzudösen, das ging nun wirklich zu weit.
Das Licht war jetzt hell, ein breiter Streifen erleuchtete oben über ihrem Kopf die gegenüberliegende Böschung. Sie selbst stand nahezu im Dunkel. Dies war sicher der richtige Augenblick; jedenfalls wollte sie es versuchen.
»Hilfe!« piepste sie.
Nichts. Sie lauschte. Nur der Wind und der ununterbrochene Regenstrom. Niemand antwortete, aber das war ja kein Wunder. Bei dem Regen. Ob sie besser aufs Verdeck kletterte und winkte…? Prüfend musterte sie den Wagen. Er hatte sich mit gesenkter Motorhaube in den Kanal eingewühlt, wie ein Schwein in seinen Futtertrog. Aber das hintere Ende ragte hoch; wenn sie da hinaufkam… Sie suchte nach Stützen für die Hände. Der Wagen stand ziemlich über Kopf – war er nicht vorher viel gerader gewesen? Sie legte die Hand oben auf die Tür und zog, und der Wagen, freundlich und hilfsbereit, neigte sich ihr zu. Schleunigst ließ sie ihn los. Jetzt schwankte er sanft. Ogottogott, sie hatte recht gehabt, vorher war er viel gerader gewesen. Langsam, aber sicher neigte er sich zur Seite und war im Begriff, sie unter sich zu begraben. Schnell – sie mußte hier weg. Sie grub die Finger in die schlammige Böschung und versuchte, einen Fuß zu heben, was mißlang. Sie probierte es mit dem andern. Auch das ging nicht. Jetzt nahm sie alle Kraft zusammen. Ogottogott, es nützte nichts. Beide Füße steckten fest im Schlamm. Was sollte sie bloß tun? Nur nicht – nur nicht den Mut verlieren. Gründlich nachdenken. Grund…. das war’s. Sie mußte die Füße aus dem Schlammgrund ausgraben. Sie bückte sich, befühlte ihre Füße unter dem Wasserspiegel und versuchte, mit den Händen den Schlamm um die Gelenke wegzuschaufeln. Ganz in der Nähe bimmelte etwas, dann klirrte es, etwas weiter weg. Sie blickte auf und starrte auf die Stelle, wo sie den Sack mit ihrem Schirm festgenagelt hatte. Beide, Sack und Schirm, waren verschwunden.
Wieder hupte der Wagen. Miss Seeton wandte den Kopf. Er kam langsam herunter. O nein – bitte nicht. Sie warf sich gegen die Böschung, streckte die Arme weit aus und krallte die Finger in den Boden. Der Schlamm gab nicht nach, die Füße steckten fest. Oben schwankte der Wagen. Er sah jetzt nicht mehr freundlich aus – eher drohend.
Ein Schlag auf das Handgelenk. Jemand hielt es gepackt und zog – zog so stark, daß es weh tat. Jetzt das andere Gelenk. Die Hand, die daran zerrte, war wie ein Schraubstock. Sie hob den Kopf. Dicht vor sich sah sie ein regennasses Gesicht. Zornige Augen starrten sie unter tropfenden Haaren an.
Der schüchterne Junge. »Zu freundlich«, keuchte Miss Seeton. »Tut mir so leid…. etwas schwierig…. ich kriege die Füße nicht los.«
Mit dem Kopf nach unten lag der Junge auf der Böschung, stemmte die Füße in den Boden und zog… zog. Miss Seetons Arme fühlten sich an, als würden sie aus den Gelenken gerissen. Einer mußte nachgeben – und tat es auch. Mit häßlichem Plop gab der Schlammgrund den einen Fuß frei. Sie stützte sich auf die Böschung, hob
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