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Miss Seeton und der Hexenzauber

Titel: Miss Seeton und der Hexenzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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wurde.

    Wie zum Beispiel bei Unfällen helfen. Oder natürlich den Verkehr regeln. »Es ist nur so … so ungewöhnlich.
    Immerhin, in meinem Alter … nicht, daß ich mich an der Uniform stören würde, falls ich eine anziehen müßte, aber bei der Polizei arbeiten …« Ihr bekümmerter, ernster Tonfall war beinahe zuviel für Anne. »… wenn man so gar keine Ahnung von Verkehrsregeln und solchen Dingen hat; Sie sehen doch sicher selbst ein, daß ich das nicht kann – das heißt, ohne Schulung. Deshalb dachte ich in gewisser Weise, daß es einer sein muß, ein Scherz, meine ich.«
    Bob prustete los. Das Zentnergewicht war mit einemmal federleicht geworden. Verkehr! Er verschluckte sich an den Kuchenkrümeln. Miss Seeton, die in Uniform an der Hyde Park Corner oder am Marble Arch stand und mit ihrem Regenschirm den Verkehr regelte! »O bitte«, japste er. »Ich wünschte, Sie würden …« Ein neuer Lachkrampf schüttelte ihn. Das wäre das Größte. Das würde alle Probleme der Großstädte lösen. In ganz London
    Verkehrsstaus bis in die Vorstädte hinein. Nie wieder würde sich etwas bewegen. Seit mindestens einem Jahr hatte er nicht mehr so gelacht.
    Nach und nach, zwischen den Lachanfällen, gelang es ihm, die Dinge klarzustellen. Es sei vorgesehen, erklärte er, daß Miss Seeton ein kleines Honorar bekommen sollte und daß Scotland Yard dafür gelegentlich ihre Dienste in Anspruch nehmen würde; sie könnten sie zum Beispiel irgendwohin schicken – Spesen wurden natürlich vom Yard übernommen. Sie würde mit Leuten sprechen und, wenn nötig, Zeichnungen anfertigen müssen, und  selbstverständlich würde sie jedesmal, wenn sie einen Auftrag bekam, je nach Aufwand eine extra Bezahlung erhalten. In Miss Seetons Kopf meldete sich eine kindliche Stimme: »Miss, Sie brauchen einen Job.«

    Miss Seeton füllte die Formulare aus, las In Anbetracht und Im Falle, daß und Dieser Vertrag wird jährlich erneuert und, falls nötig, in gegenseitigem Einvernehmen neu formuliert und unterschrieb alle Papiere, die Bob ihr vorlegte.

Kapitel 5
    »Heute, meine Freunde, möchte ich mit euch über die Freiheit sprechen.«
    Die Halle in Maidstone war gerammelt voll. Miss Seeton beugte sich konzentriert vor. Bei ihrem ersten Auftrag als Mitarbeiterin der Polizei mußte sie wirklich ihr Bestes geben. Ein netter Bursche, der Junge, der sie hergebracht hatte. Und so farbenfroh in dem hellvioletten Pullover mit diesem großen Kragen – ein Rollkragen, vermutete sie –
    und der Jacke in Magentarot. Vielleicht nicht gerade die gelungenste Kombination, aber farbenprächtig. Man sollte meinen, Polizisten hätten alle einen Kurzhaarschnitt, aber nein – dieser junge Mr. Foxon hatte ziemlich lange Haare und Locken. Sie hatte einen Block mitgebracht, um sich Notizen zu machen und ihre Eindrücke festzuhalten. Und genau das tat sie auch. Sie schrieb Freiheit in die oberste Zeile.
    »Freiheit«, fuhr der Redner fort, »das bedeutet Freiheit der Sinne …«
    »Dummes Zeug«, brummte Sir George in der ersten Reihe. Tante Bray sah ihn entrüstet an, und Lady Colveden forderte ihren Mann mit einer Geste auf, sich still zu verhalten.
    »… Freiheit der Gedanken, Freiheit des Geistes und Freiheit, sich auszudrücken …«
    Die Mehrheit der Zuhörer war hingerissen, aber für Bob, der im letzten Moment mit Anne in die hintere Bank gerutscht war, war das alles nichts anderes als leeres Geschwätz.
    »… frei sein«, verkündete der Vortragende mit  Emphase, »von der Sünde; frei sein für die Liebe.«
    »Quatsch«, grunzte Sir George. Ziemlich viel Freiheit, kritzelte Miss Seeton.
    Nigel, der auf die Bitte seines Vaters hin seine Eltern nur widerwillig begleitet hatte, drehte sich halb nach hinten.
    Dieses Mädchen – das goldene Haar mit dem rötlichen Schimmer – diese Augen – dieser Mund! Dieses …
    Mädchen. Er war auch hingerissen. Von all den sorgfältig gewählten Worten drangen nur fünf zu ihm durch: »Frei sein für die Liebe.«
    »Hier, in der westlichen Welt«, ließ der Redner vernehmen, »sind wir wie Prometheus aus der Antike mit Ketten gefesselt, mit Ketten, deren Glieder fest aneinandergeschmiedet sind – aneinandergeschmiedet«, wiederholte er, »durch falsche Lebenseinstellung, durch materielle Abhängigkeit, durch Angst und fehlgeleitete Ansichten. Im Fernen Osten, in den Ashrams, in kleinen Zellen, in einsamen Klöstern leben Yogis, die seit Jahrhunderten die Wahrheit und die Antwort auf alle Fragen kennen.

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