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Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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war. Aber die wirkliche Miss Seeton würde das Problem ja nicht einmal verstehen oder, wenn doch, wahrscheinlich Zustände kriegen. Und jetzt sah sie ihn auch noch erwartungsvoll an. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Während er noch immer nach einem konventionellen Scherz suchte, um das peinliche Schweigen zu brechen, hörte er sich zu seiner Überraschung sagen: »Dürfte ich Sie wohl etwas fragen, bitte?«
    »Aber natürlich, Mr. Colvenden.«
    »Diese Kriminalbeamten. Sie wissen schon, die Scotland-Yard-Leute, die Sie von London her kennen.«
    »Wie bitte?« Sie war völlig verblüfft. »Oh.« Nigel war aus dem Konzept gebracht. »Ich meine, Sie haben doch mit ihnen zu tun gehabt, oder nicht?«
    Bestürzt sah sie ihn an. »Aber ich verstehe nicht. Wieso wissen Sie etwas davon?«
    »Aber das weiß doch jeder. Es steht doch in sämtlichen Zeitungen.« Plötzlich ging ihm ein Licht auf: »Oder haben Sie das nicht gewußt?«
    »Natürlich nicht. Ich hatte keine Ahnung – ogottogott, wie entsetzlich. Die Zeitungen!« Zum erstenmal ging ihr auf, welche Bedeutung die Vorfälle der vergangenen Nacht für ihre eigene Person haben konnten. »Wie unpassend. Darum also, heute morgen. Wie dumm von mir, daß ich das nicht begriffen habe. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen.« Ihr Abscheu wurde immer größer. »Und dann noch die Fotografen.« Etwas Schlimmeres hätte ihr nicht passieren können.
    »Wie peinlich, in der Zeitung zu stehen«, wiederholte sie hilflos. »Geradezu ordinär ist das.«
    »Es tut mir furchtbar leid, Sie so erschreckt zu haben, Miss Seeton, aber ich wußte ja nicht.«
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Mr. Colvenden. Ich selber bin schuld, mit meiner bodenlosen Dummheit. Solche Sachen bin ich nicht gewöhnt, wissen Sie. So was ist mir noch nie passiert. Ogottogott.« Nigel hätte beinahe gelacht. Es war einfach grotesk. Sie hatte nicht einmal begriffen, in welch peinlicher Lage sie selbst war – und er hatte sie bitten wollen, ihm in seiner schwierigen Situation zu helfen. Aber vielleicht konnte er sein Ziel erreichen, ohne sie in die Sache zu verwickeln. »Sicher kommen sie demnächst mal her, um mit Ihnen zu sprechen?« fragte er wie nebenbei. »Die Kriminalbeamten, meine ich.«
    »Um Himmels willen, nein. Warum denn?«
    »Ach so. Ich hatte gedacht, es wären noch Aussagen zu machen, Erklärungen abzugeben und so. Aber das haben Sie natürlich schon längst hinter sich. Wie blöd von mir.«
    Er ließ das Thema fallen. Mit dem dumpfen Plumps der Verzweiflung fiel es zu Boden, und Miss Seeton horchte auf. Interessiert sah sie ihn von der Seite an. »Was ist los, Mr. Colvenden? Und warum hätten Sie die Kriminalbeamten gern kennengelernt?«
    »Ich?« fragte Nigel unschuldig zurück. »Aus gar keinem Grund. Ich fand es nur aufregend, mehr nicht. Ich bin gar nicht scharf drauf, sie kennen zulernen.«
    Sie beobachtete ihn immer noch. »Nein, natürlich nicht.«
    Das wirkte. Dieselben Worte, derselbe Tonfall. Wieder stand er im Rektorzimmer der Grundschule, angeklagt, in Tinte getauchte Papierkügelchen durchs Klassenzimmer geworfen zu haben. Er hatte es abgestritten, und die Rektorin hatte in gelangweiltem Ton erwidert: »Nein, natürlich nicht.« Die verächtliche Gleichgültigkeit eines Erwachsenen einem bockigen Kind gegenüber. Genau wie damals platzte er prompt mit der Wahrheit heraus.
    »Ich bin in der Klemme«, erklärte er. »Oder vielmehr nicht ich, sondern jemand, mit dem ich befreundet bin. Oder wird es zumindest bald sein. Hier im Dorf habe ich niemand, den ich um Rat fragen, niemand, mit dem ich auch nur drüber reden könnte.«
    »Aber bestimmt würde Sir George.«
    »Himmel, nein, mein Vater wäre der letzte, den ich. Das glauben Sie mir sofort, wenn.«
    Miss Seeton gab sich einen Ruck und wandte sich dem Haus zu. »Haben Sie schon Tee getrunken, Mr. Colvenden?«
    »Tee?« fragte Nigel verdutzt. »Tee? Nein. Warum?«
    »Weil ich«, sagte sie sachlich, »noch keinen getrunken habe. Wie das mit Ihnen ist, weiß ich nicht, aber ich könnte jetzt eine Tasse vertragen. Gehen wir in die Küche, gießen wir Tee auf, und dann tragen wir alles raus und setzen uns in die Sonne, und Sie erzählen mir in aller Ruhe, was Sie mir erzählen möchten.«
    In der Küche schaltete sie den Kessel wieder ein, der sofort erfreuliche Geräusche von sich zu geben begann. »Von dem, was Sie sagen, kann ich mir leider nicht vorstellen, wie ich Ihnen behilflich sein könnte.« Sie wählte von den

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