Miss Seetons erster Fall
Ärger. Deshalb schlägt Angie über die Stränge. Um das zu kompensieren, denke ich mir.«
»Aber ich bitte Sie, Nigel – wo kann man in einem Nest wie Plummergen über die Stränge schlagen?«
»Haben Sie eine Ahnung.« Er lachte auf. »Na ja, von unseren lokalen Scherereien können Sie ja nichts wissen, aber in letzter Zeit hat es hier im Kreis Brettenden eine Menge brutaler Schlägereien gegeben. Ich weiß von zwei Raubüberfällen, und bei dem zweiten, vorige Woche, ist ein Ehepaar regelrecht zusammen geschlagen worden.«
»Aber das ist ja grauenhaft«, sagte Miss Seeton empört. Wirklich grauenhaft, und noch dazu auf dem Land – das machte es um so schlimmer. »Aber sicher würde doch – wenn Sie sagen, Sie wissen davon. Ich meine, die Polizei.«
»Jaja, schon richtig, aber ich weiß nicht, ob ich’s beweisen kann. Und wenn ich’s beweisen könnte – mir sind ja die Hände gebunden. Sehen Sie: Angie war mit im Auto, beide Male.«
»Sie müssen zur Polizei gehen«, sagte sie nachdrücklich.
»Das sehen Sie doch ein, oder? Ich meine, das ist doch einfach fürchterlich – Raubüberfälle und brutale Schlägereien. Selbst ohne Beweise müssen Sie der Polizei mitteilen, was Sie wissen. Und wenn dadurch andere Leute Ärger bekommen, dann hilft das nichts: Sie sind mitverantwortlich für das, was in Zukunft passieren könnte.«
Er blickte über den Hühnerstall hinweg zum Kanal, ohne etwas zu sehen. »Glauben Sie, ich wüßte das nicht? Aber würden Sie zur Polizei gehen, wenn Ihre Schwester was damit zu tun hat? Denn Angie ist für mich so was wie eine Schwester. Würden Sie nicht auch einen letzten Versuch machen, sie da rauszukriegen, ehe die Rakete in die Luft geht?«
»Einen letzten Versuch?« Miss Seeton klammerte sich an diesen Strohhalm. »Sie haben schon etwas unternommen? Sie haben versucht, mit ihr zu reden und sie zur Vernunft zu bringen?« Er lächelte verbittert. »Ja, ich hab’s mit sämtlichen Methoden versucht. Ich hab’ sie sogar angebrüllt und zusammengestaucht. Ich glaube, außer Prügel habe ich alles probiert, was Angie betrifft. Wir haben jedesmal Krach, wenn wir uns sehen, und jetzt geht sie mir aus dem Weg, als ob ich die Pest hätte. Vor ein paar Monaten hat die Polizei im Singing Swan eine Razzia gemacht – das ist der Club, wo sie sich alle treffen: schräge Musik und nichtschräge Getränke, angeblich –, am anderen Ende von Brettenden, hinter Les Marys. Aber es war eine Pleite, für die Polizei, meine ich. Vorige Woche war noch einmal eine Razzia – am Abend vor dem zweiten Raubüberfall, und zufällig war Angie an dem Abend nicht im Club. Die Polizei war dort, weil sie einen anonymen Tip bekommen hat. Aber alles war hasenrein, alles ganz harmlos wie eine Kindergesellschaft.« Achselzuckend setzte er hinzu: »Vielleicht hat der Club auch einen anonymen Tip bekommen, woher soll ich das wissen.«
»Aber woher wissen Sie, daß die Polizei unter der Hand informiert worden ist – hat Ihnen das jemand erzählt? Solche Sachen werden doch nicht an die große Glocke gehängt, denke ich mir.«
»Das hatte ich auch gehofft.« Um seinen Mund zuckte es sonderbar. »Ich habe es sehr rasch rausgekriegt – weil ich es nämlich war, der die Polizei telefonisch informiert hat. Danach bin ich in die Garage von Vennings eingebrochen, habe den Wagen betriebsunfähig gemacht und es geschafft, Angie vom Club fernzuhalten – ich habe ihr angeboten, sie in unserem Auto hinzufahren und bin dann mit ihr einfach bis Brighton durchgebraust.« Er stand auf, schob die Hände in die Taschen und ging nervös auf und ab. »Ich hab’ gewußt, daß an dem Abend was geplant war – sie hat sich verplappert und wollte es dann vertuschen, aber an ihrem Benehmen hab’ ich’s gemerkt, glitzeräugig und zappelig, wie sie war.«
Miss Seeton seufzte und beobachtete den jungen Mann beunruhigt. »Was soll man da sagen. Offensichtlich haben Sie alles getan, was man tun kann, und sogar mehr. Ich wüßte nicht, was Sie sonst noch machen könnten – das heißt, auf eigene Faust.«
»Ich auch nicht. Es hat keinen Sinn, auf lokaler Ebene noch irgendwas zu versuchen, denn anscheinend kriegt die Clique Wind davon. Und ich hab’ den Verdacht, mein nächster Versuch endet damit, daß ich meinerseits von Angies reizenden Spielkameraden zusammengeschlagen werde. Ich hab’ mir gedacht«, er blickte Miss Seeton an, »wenn man Scotland Yard darauf aufmerksam machen und was aus größerer Entfernung arrangieren
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