Miss Seetons erster Fall
sind?« Das Orakel grinste freundlich. »Nein, Bob. Wenn er den Hühnern Heroin gestreut hat, dann bin ich dafür, schlafendes Geflügel nicht zu wecken. Wer bin ich denn, daß ich ihnen ihr schlichtes Vergnügen miß gönnen dürfte. Und ich glaube nicht, daß wir Sie mit der Durchsuchung des Hühnerstalls beauftragen sollten, denn selbst wenn wir Sie hineinbekämen – wenn Sie ausatmen oder noch mal einen hysterischen Anfall bekommen, dann sprengen Sie den ganzen Bau in die Luft.«
»Es tut mir schrecklich leid, Sir«, sagte Bob zerknirscht. »Aber ich mußte lachen. Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen.«
»Schon gut. Aber wenn Sie wieder mal weinen müssen, dann seien Sie so nett, und schauen Sie mich nicht auch noch an dabei. Das hätte mir fast den Rest gegeben.«
»Ihnen? Sie haben nicht mit der Wimper gezuckt, Sir.«
»Freut mich zu hören, aber ich bin nicht sicher, ob mir nicht doch in den Innereien was Wichtiges gerissen ist. Nein, im Moment schlagen wir nur die Zeit tot und tun so, als ob – für den Fall, daß es was zu sehen gibt. Schade, daß die Mauer hinten so niedrig ist«, fuhr er nachdenklich fort. »Die Aussicht vom Haus ist dadurch bestimmt schöner, aber das niedrige Gemäuer ist geradezu eine Einladung.«
»Glauben Sie, Lebel hat Kontakte hier unten, Sir?«
»Wenn Sie Komplizen meinen – nein. Aber Leute, die er kontaktieren könnte, ja. Vergessen Sie nicht, Bob, daß Rauschgift Geld wie Heu bedeutet und daß Geld wie Heu eine Riesenorganisation bedeutet. Ich könnte mir vorstellen, daß Lebel nur ein Schmalspur-Schlepper und ein Strohmann für die Organisation ist, aber damit alles glattgeht, muß eine Organisation die eigenen Leute schützen – oder sie eliminieren. Im Augenblick ist Miss Seeton ihnen lästig, weil sie einen ihrer Leute festnageln kann, der für den Ring offensichtlich sehr brauchbar ist. Aber falls wir seinen Vorsprung aufholen oder die Dinge so brenzlig werden, daß er für die Organisation eine Belastung ist, dann bringen sie ihn einfach um, wenn wir Glück haben, und lassen Miss Seeton in Ruhe. Was zwar dem Rauschgiftdezernat nicht gerade gefallen würde, uns aber eine Menge Lauferei ersparte.«
»Und glauben Sie, daß Mrs. Venning in die Sache verwickelt ist, Sir?«
»Am Rande damit verknüpft, vermute ich.«
»Sonderbar bei so jemand. Sie ist ziemlich bekannt.«
»Jetzt sagen Sie bloß nicht, sie ist Ihre Lieblingsautorin!«
»Meine Schwester hat Kinder, und die sind begeistert von ihren Büchern. Sie drehen sich alle um ein Kaninchen. Jack heißt es.«
»Welche Belesenheit«, sagte Delphick bewundernd. »Na ja, möglich, daß die Mutter nur die Tochter deckt, die anscheinend zu der Clique gehört.«
»Und Rauschgift nimmt?«
»Ich vermute es nur. Jedenfalls scheint sich der junge Colvenden um sie zu sorgen. Nach dem, was er nicht gesagt hat, war sie gestern nacht offenbar mit von der Partie. Und laut Miss Seeton war sie heute morgen krank. Das sieht mir ganz nach dem bekannten düsteren Schema aus.«
»Bedauerlich«, meinte Bob.
»Ja«, stimmte Delphick zu. »Und noch bedauerlicher, wenn’s wahr wäre. Aber Kopf hoch – es muß ja nicht so sein. Ich mag es nicht, wenn sich kleine Amateure mit Profis einlassen. Das ist lebensgefährlich. Deshalb habe ich den jungen Colvenden so zusammengestaucht. Ihn in Wut zu bringen, war die einzige Möglichkeit, sonst wäre er nicht mit der Sprache rausgerückt. Mit seinem Räuber-und-Gendarm-Spielen und dem Rumspionieren, womit er doch bloß die kleine Venning decken wollte, hätte er im Krankenhaus landen können, wenn nicht sogar im. Und ihr scheint das völlig wurscht zu sein. Eine Glanzleistung von ihm, diese Rabauken in den Straßengraben zu werfen – da hatten wir sämtliche Namen und Adressen auf dem Präsentierteller. Jetzt können sich die vom Rauschgiftdezernat auf diese Clique konzentrieren, statt den Club allgemein zu beobachten. An sich sind sie unwichtig. Wichtig ist der, der sie erstens drauf gebracht hat und sie zweitens mit Stoff versorgt. Aber die Vennings, glaube ich.« Achselzuckend setzte er hinzu: »Ich weiß nicht recht, mir ist nicht ganz wohl dabei. Kommen Sie. Vielleicht gibt uns Miss Seeton einen Tip. Inzwischen hat sie Zeit gehabt, eine Gemäldegalerie zu füllen.«
»Aber was versprechen Sie sich davon, daß sie Mrs. Venning zeichnet, Sir? Daß sie sie in einen Käfig steckt, wie sie es mit Lebel gemacht hat?«
»Das wäre allerdings sehr aufschlußreich. Ich weiß
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