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Miss Seetons erster Fall

Miss Seetons erster Fall

Titel: Miss Seetons erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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Ordnung, dachte Delphick – blindes Glück. Den Safe zu finden, hätte Stunden dauern können, und soviel Zeit hatten sie in dieser Nacht nicht. Merkwürdig, die Einstellung der Haushälterin zu Mr. Trefold Morton. Warum brachte sie es nicht über sich, ihn mit Namen zu nennen? Wahrscheinlich eine unbewußte Hemmung. Sonderbar, daß sie trotz einer so starken Abneigung so lange bei ihm geblieben war. Er ertappte sich bei der Überlegung, wie wohl Miss Seeton die Haushälterin auf einer ihrer Porträtskizzen dargestellt hätte.
    Unterdessen hatte er den passenden Schlüssel am Schlüsselbund des Eigentümers gefunden, schloß den Safe auf und nahm den Inhalt heraus: ein paar alte Schmuckkästen und Schriftstücke. Die Schmuckkästen stellte er an ihren Platz zurück, die Hälfte der Papiere gab er Bob, und dann begann er, die andere Hälfte durchzusehen.
    Ein kleines schwarzes Notizbuch interessierte ihn am meisten, und er legte das Übrige beiseite. Das Notizbuch war in vier Hauptabschnitte eingeteilt, jeder Abschnitt begann mit der unterstrichenen Abkürzung eines Namens. Unter diesen Überschriften folgten Zahlen- und Datenkolonnen; die ältesten Daten lagen gut 15 Jahre zurück, und hin und wieder tauchten einzelne Großbuchstaben auf. Die Namen konnte Delphick erraten. ›C-dale‹ hieß wahrscheinlich Mrs. Cummingdale – sie war das Tantchen des jungen Mannes aus Schottland. ›F-son‹ bedeutete sicher Mr. Foremason, der durch einen Autounfall ums Leben gekommen war. ›W-ham‹ hieß vermutlich Miss Worlingham, und mit ›H-t‹ konnte Miss Hant gemeint sein. Eine Spalte rechts war für Additionen vorgesehen, und unter der Summe war ein dicker schwarzer Strich gezogen. Delphick wunderte sich über die Anmerkungen in Rot unter dem schwarzen Strich: 25 Prozent, dann eine Zahl, dann, nach einer Subtraktion, die Endsumme. Wer, so überlegte er, hatte Mr. Trefold Morton um 25 Prozent erleichtert? Die Eintragungen, die Miss Hant betrafen, waren noch nicht abgeschlossen, die Addition war unvollständig, die schwarze Linie fehlte noch. Die Eintragungen waren zu verschleiert, als daß man sie ohne weiteres hätte entschlüsseln können, aber sein Verdacht paßte in das Bild – zusammen mit dem, was die Haushälterin erzählt hatte. Die Zahlen und Daten bezogen sich wahrscheinlich auf den Verkauf von Aktien, Pfandbriefen, Anteilscheinen und dergleichen. Nun – Erkundigungen bei verschiedenen Bankinstituten über die letzten im Besitz ihrer verstorbenen Kunden befindlichen Original-Wertpapiere würden das Ganze bald aufklären. Er klappte das Büchlein zu. »Ich glaube, mehr brauchen wir im Moment nicht«, sagte er zu Bob.
    »Das hier ist merkwürdig, Sir.« Bob hielt ihm einen Packen mit Gummiband zusammengehaltener Zettel hin.
    »Was ist das?«
    »Namen oder sonstige Angaben stehen nicht drauf, Sir, überall nur Zahlen. Aber jeder Zettel hat das Datum einer bestimmten Woche, als ob es Notizen über Ausgaben und Einnahmen wären. Von dem, was uns die Dame hier gesagt hat«, er lächelte der Haushälterin zu, »könnte ich mir vorstellen, daß es Wochenabrechnungen von diesem Club, dem Einging Swan, sind.«
    Delphick warf einen Blick auf die Zettel und schob sie dann zusammen mit dem Notizbuch in die Tasche. Den Rest der Papiere legte er wieder in den Safe, schloß ab und stellte die Bücher auf das Regal. Zur Haushälterin gewandt sagte er: »Vielen Dank für Ihre Hilfe. Mehr brauchen wir heute nicht. Morgen vormittag werde ich eine gründliche Durchsuchung vornehmen lassen. Es tut mir nur leid, daß wir Sie aus dem Bett geholt haben.«
    Sie lächelte. »Das macht nichts. Mal eine Abwechslung.« Sie machte die Tür des Arbeitszimmers zu. »Kommt er heute nacht noch nach Haus?«
    »Nein«, sagte Delphick. »Heute nacht nicht.«
    Ihr Lächeln wurde breiter. »Na ja, da sieht man es wieder, das kommt davon, wenn einer so aalglatt ist.«
    Delphick gab seiner Neugier nach. »Offen gestanden, es wundert mich, daß Sie so lange bei ihm geblieben sind.«
    »Tja, es paßte eben, wenn Sie wissen, was ich meine«, erklärte sie. »Er hat sich nichts rausgenommen, und ich hab’ mir nichts rausgenommen. Wenn er verheiratet wäre oder Familie hätte, wo jeder eine Extrawurst haben will, dann hätte es nicht so gut gepaßt.«
    »Und doch haben Sie ihn, vermute ich, nie recht gemocht?«
    »Gemocht. nein, kann man nicht sagen«, gab sie freundlich zu. »Ich kann ihn nicht ausstehen. Von Anfang an fand ich ihn widerwärtig. Wenn

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