Miss Seetons erster Fall
Vorgesetzter am nächsten Morgen nach Plummergen fuhren.
»Ja«, bestätigte Delphick. »Ich muß zugeben, daß ich mit seiner Haushälterin völlig einer Meinung bin. ›Von Anfang an fand ich ihn widerwärtige Daß sie ihn fast zwölf Jahre ertragen hat.«
Sie hatten Mr. Trefold Morton in der vergangenen Nacht noch fast eine Stunde lang ertragen müssen, ehe er für den Rest der Nacht in eine Zelle geführt wurde.
Angesichts der Beweise für seine Veruntreuung hatte der Anwalt ausgiebig gewinselt; Leitmotiv seines Gesangs war tiefempfundenes Selbstmitleid. Von dem Neffen aus Schottland abgesehen, dessen Existenz ihm entgangen war, hatte keiner der betreffenden Klienten nahe Verwandte oder Freunde gehabt, die als Erben in Frage gekommen wären. Infolgedessen wäre der Nachlaß an wohltätige Stiftungen oder an die Krone gefallen, und in Anbetracht seiner Position habe er das Gefühl, das starke Gefühl gehabt, auf die Gelder ebensoviel Anrecht, in der Tat sogar mehr Anrecht als der Staat zu haben. Daß er seine Klienten schon zu ihren Lebzeiten ausgeraubt hatte, stimme zwar, aber was hätte er, fragte er taktvoll, denn sonst machen sollen? Wenn er bis zu ihrem Tode gewartet hätte, wäre es damit zu spät gewesen.
Als Delphick, sich mühsam beherrschend, darauf hinwies, daß er im Fall von Miss Worlingham mit Sicherheit und im Fall von Mr. Foremason mit größter Wahrscheinlichkeit nicht nur zwei ihm völlig vertrauende Leute ausgeplündert hatte, sondern auch direkt ihren Tod verschuldet habe, zuckte Mr. Trefold Morton die Achsel. Was konnten die Leute schon erwarten, wenn sie zu dumm oder zu gleichgültig waren, um sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern?
Was die Drogen betraf, so war ihm kein Geständnis abzuringen. Er bestritt, das eigenartig geformte Fläschchen jemals gesehen zu haben und erklärte, wenn man es in seinem Büro gefunden habe, dann sei es entweder absichtlich dort versteckt worden, oder es müsse einem seiner Angestellten gehören. Delphick konnte diesen Punkt nicht weiter verfolgen, ehe der Inhalt des Fläschchens nicht analysiert war. Was die Haushälterin von Miss Hant und deren Fläschchen erzählt hatte, nannte Mr. Trefold Morton Phantastereien eines primitiven Geistes. Er blieb dabei, Miss Seeton aus reiner Freundlichkeit ein paar Kopfschmerztabletten mitgegeben zu haben – aus reiner Freundlichkeit –, die als Markenartikel erhältlich seien; den Namen habe er vergessen. Da Mrs. Venning das betreffende Fläschchen zerbrochen hatte und Miss Seeton nicht da war, um den Vorfall zu bestätigen, mußte man diese Sache vorerst auf sich beruhen lassen.
Als Mr. Trefold Morton abgeführt worden war, hatte der Sergeant vom Dienst Tee und Feldbetten gebracht. Superintendent Delphick hatte relativ behaglich geschlafen, Sergeant Ranger dagegen, für den das Feldbett viel zu kurz war, hatte sich schließlich weniger gemütlich auf dem Boden ausgestreckt.
Bob nahm den Fuß vom Gaspedal. »Macht es Ihnen was aus, wenn wir hier einen Augenblick halten, Sir? Ich möchte was besorgen.«
»In Ordnung.«
Delphick sah, wie Bob in einem Blumenladen verschwand und lehnte sich dann zurück, um die nächsten Schritte zu überlegen. Wie üblich hatte sich Lebel in Luft aufgelöst. Hinter ihm mußte eine gewaltige Organisation stehen. Aber das war zu erwarten gewesen. Rauschgift hieß: Geld wie Heu. Geld wie Heu hieß: große Reserven. Ob Lebels wiederholte Angriffe auf Miss Seeton eine persönliche Vendetta waren? Oder bekam er Befehl von oben? Nutzlose Spekulationen. Gleichgültig, warum – Lebel schien entschlossen, weiterzumachen, und das betraf hauptsächlich die Polizei. Schade – es wäre schön gewesen, wenn man Trefold Morton der Mittäterschaft an der Attacke der letzten Nacht hätte überführen können, aber offensichtlich würde es schwer sein, das zu beweisen. Gott sei Dank, daß er selbst, da der Anwalt die Veruntreuungen gestanden hatte, bei der augenblicklich stattfindenden Vorführung vor dem Magistrate’s Court nicht gebraucht wurde. Chris Brinton hatte dafür gesorgt, daß ein Kollege ihn vertrat und namens der Polizei den Antrag stellte, Trefold Morton in Untersuchungshaft zu belassen und ihm keine Haftentlassung gegen Kaution zu gewähren, da womöglich weitere Beschuldigungen erhoben würden. Mit den weiteren Beschuldigungen sah es allerdings windig aus. Mit dem, was sie bis jetzt in der Hand hatten, würde es kaum für eine Anklage wegen Besitz und
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