Miss Wyoming
Ideal ihres ganzes Lebens zu Hause einigeln und für den Familienbetrieb arbeiten konnte. Erst als sie bereits seit drei Monaten bei ihm wohnte, fiel ihr auf, dass sie nicht einmal den Drang gehabt hatte zu telefonieren.
Anfang September war Susan hochschwanger und wurde langsam ungeduldig und reizbar. »Das sind die Hormone, Eugene. Die bringen mich ebenso schnell auf die Palme wie meine Mutter.« Sie sagte ihm, sie wolle eine Spritztour mit dem Wagen machen.
Eugene, der etwas unleidlich war, weil er im Keller eine streikende Klimaanlage auseinander gebaut hatte und nicht wusste, ob er in der Lage sein würde, sie hinterher wieder zusammenzusetzen, hatte keine Lust mitzufahren. Es herrschte gerade eine Hitzewelle, und der Keller war der einzige kühle Raum im Haus. Der Fußboden war mit Drähten und Schrauben übersät. Susan trat auf eine davon und verlor endgültig die Geduld.
»Ich fahr zum Drug Mart und hol mir ein bisschen Alkohol,
um meine Titten zu kühlen. Es ist bestimmt lustig, mich mal wieder zu schminken und eine Perücke aufzusetzen.«
»Was, wenn ...«
»Die Wehen einsetzen?«
»Äh, ja.«
»Ich nehm das Handy mit.«
»Dann lass mich den Wagen auftanken.«
»Den Wagen auftanken?«
Er ging um die Ecke und öffnete ein paar Schiebetüren, hinter denen mehrere 200-Liter-Fässer zum Vorschein kamen, von denen Susan bislang nichts gewusst hatte. Sie waren offenbar durch abschließbare Luken heruntergelassen worden, die sich in der Decke darüber befanden. »Was zum Teufel ist das, Eugene?«
»Benzin. Ich habe während des Golfkriegs Panik gekriegt. Da hab ich mir einen Vorrat angelegt.«
»Bist du irre? Diese Dinger im Keller zu lagern?«
»Reg dich nicht auf. Es ist kaum noch was drin. Du hättest mal 1991 hier sein sollen. Da war es hier wie in einer Raffinerie.«
»Dieses Zeug war die ganze Zeit hier unten?«
»Ich fahr doch bloß ungefähr drei Meilen im Monat. Also: ja.«
»Darum geht es nicht, Eugene.«
»Geh und hol deine Perücke. Das Wetter setzt uns beiden zu. Ich tanke den Wagen auf.«
Susan ging nach oben, um sich zu verkleiden. An jenem Tag machte sie sich als Lee Grant in dem Film Shampoo zurecht, mit der silbrigen Ponyfrisur-Perücke und einem beigefarbenen Hosenanzug von Renata, den sie auf ihren zierlicheren, aber schwangeren Körper umgeschneidert hatte. Ausserdem suchte sie sich eine von Renatas zahlreichen Handtaschen aus, stopfte sie mit Schminkutensilien und anderem Krimskrams voll -ihrem »Handtaschenkleinscheiß« - und betrachtete sich im Spiegel: Schick! Schon fühlte sie sich ein bißchen besser. Sie ging in den Carport und rief zu Eugene hinunter: »Ich fahr jetzt los, Yooj.«
»Kannst du mir Kaugummi mitbringen?«
»Kaugummi?«
»Cinnamon Dentyne.«
»Ja, mein Gebieter.«
»Autsch!«
»Was ist?«
»Dieses gottverdammte Kabel hat mir grade einen Schlag verpasst.«
»Sei vorsichtig. Ich bin in einer halben Stunde wieder da.« Sie stieg in den Wagen, immer noch leicht verärgert. Die Sonne war fast untergegangen, aber die Hitze des Tages hatte kein bisschen nachgelassen. Doch bald könnte sie sich mit dem Alkohol abkühlen. Sie parkte beim Shoppingcenter und kaufte ein paar Dinge im Drugstore. Ihr ging alles Mögliche durch den Kopf. Sie dachte daran, dass sie in nicht allzu langer Zeit regelmäßig herfahren musste, um Pampers und Stilleinlagen zu besorgen. Einer plötzlichen Regung folgend, kaufte sie eine Flasche Bourbon im Liquor Barn nebenan und ging dann wieder zum Wagen. Sirenen heulten die Straße entlang, und ein paar Blocks entfernt hörte sie einen lauten Knall. Sie bog um die Ecke zu ihrem Block und sah, dass der gesamte untere Teil des Hauses lichterloh brannte. Flammen brachen aus den Fenstern wie Wasser, das einen Fluss hinunterrauscht. Weitere Feuerwehrwagen tauchten auf, als seien sie vom Himmel gefallen, gerade als Susan die obere Hälfte des Hauses in die untere stürzen sah.
Es war, als spielte sich der gesamte Flugzeugabsturz noch einmal vor ihren Augen ab - die Flammen, die Verwüstung, die Atmosphäre der Unwirklichkeit. Sie schlug die Wagentür fest zu und ging zu dem Scheiterhaufen hinüber. Ein Feuerwehrmann warnte sie, sie solle Abstand halten, aber sie beachtete ihn nicht, stolperte über einen Löschschlauch und hörte, was die Feuerwehrmänner einander zubrüllten:
- »Das schnellste Feuer, das ich je erlebt hab. Von null auf hundert in zwei Sekunden.«
- »Fast, als wär's geplant gewesen.«
- »Ist da jemand
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