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Missbraucht

Missbraucht

Titel: Missbraucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Berk
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schlechte Nachricht. Wir haben den Jungen. Es sieht nicht gut aus, gar nicht gut."
    "Was heißt, es sieht nicht gut aus?"
    "Er ist tot!", sagte Mertes und man konnte seine Beklemmung deutlich heraushören.
    Richard schloss kurz die Augen. "Paul, lass ein paar Streifenwagen und einen Arzt in die Colettstraße 38 kommen? Ich glaub, den hat hier jemand nötig."
    "Bist du verletzt?"
    "Nein, aber ich glaube, Frau Tschetschowa ist übel gestürzt."
    "Okay, ich werde sofort alles veranlassen, und wenn du dort fertig bist, komm sofort hierhin. Hast du verstanden?"
    "Natürlich, ist schon klar", Richard graute es vor dem Prozedere, was ihm bevorstand. Er sah sich schon Berichte schreiben, ohne Ende und alle in dreifacher Ausfertigung. Auf dem Boden sitzend, die verletzte Frau neben sich, zündete er eine Camel an und zog den Rauch tief ein. Jetzt ein Bier, dachte er und wartete auf die Kollegen.

    *

29.06.1994
    Wagner blieb bei den Beamten in der Wohnung der Rumänin, die inzwischen in einem
    Rettungswagen mit Polizeibegleitung, auf dem Weg ins städtische Krankenhaus war.
    Oberstaatsanwalt Koepp stand gemeinsam mit Mertes vor dem Leichnam des kleinen Mathae. Dr. Friedhelm Heb lag, angeschlossen an einer ganzen Batterie von Maschinen auf der Intensivstation des Bundeswehrkrankenhauses in Koblenz, während gleich nebenan auf derselben Etage, ein Ärzteteam die junge Polizistin Sandra Götze operierte. Die beiden Politiker befanden sich, nachdem sie genügend Aufmerksamkeit erhascht hatten, auf dem Weg zu einer dringenden Wahlkampfveranstaltung in Westerburg und Richard Mees war auf dem Weg zurück ins Jugendheim. Die geplante Routineverhaftung von Stromberg hatte sich zum Albtraum entwickelt und die Feierabend Biere und der Fußball waren in weite Ferne gerückt. Es war inzwischen 19 Uhr 30. Richards Mund war ausgetrocknet und er spürte, dass er dringend etwas trinken musste. Genau aus diesem Grund legte der Kommissar einen kurzen Stopp an einer Shell Tankstelle ein, kaufte sich eine Büchse eiskaltes Weizenbier, einen doppelten Wodka und eine Tüte Fishermans. Die Bedienung war merklich überrascht ob des verwegenen Aussehens ihres Kunden, der allem Anschein nach ein sehr intensives Erlebnis gehabt haben musste, wenn man das Outfit richtig deutete. Auf dem Weg zum Jugendheim versuchte Richard die Zusammenhänge zu konstruieren, aber das erwies sich als zwecklos. Warum war Stromberg tot? Warum hing der Doktor am Strick? Was hätte Mathae alles erzählen können? Auf die Fragen wusste er zurzeit keine plausible Antwort zu geben. Das Bier schaffte er nur zur Hälfte, aber der Wodka überlebte die kurze Fahrt zum Heim nicht. Als Richard die Stufen zum Speicher hochging, warf er sich zwei "Fishermans" ein.
    Vor Ort wartete jede Menge Arbeit auf die Beamten. Nicht nur die Rekonstruierung der Geschehnisse und die damit verbundene Spurensicherung waren zu bewerkstelligen, es musste außerdem der weitere Ablauf für mehr als hundert Jugendliche, die in diesem Gebäude untergebracht waren organisiert werden, ohne das die Polizeiarbeit beeinträchtigt wurde. Und das alles ohne die Mithilfe des Heimleiters, der, aus welchem Grund auch immer, selbst Opfer geworden war. Allen stand das Entsetzen in den Gesichtern geschrieben. Der Anblick, des inzwischen mit einem großen Tuch zugedeckten Körpers von Mathae, verlieh der Atmosphäre und dem Treiben aller Anwesenden einen fast gespenstischen Rahmen. Eine Kinderleiche lässt die hartgesottensten Polizisten demütig werden. Dazu kam diese fast unerträgliche stehende Hitze unter dem Dach.
    Mertes, Koepp, Frau Heuss und der Arzt standen etwas abseits zusammen und unterhielten sich über die Erkenntnisse, die die erste Untersuchung an Mathaes Leiche hervorgebracht hatte. Alle waren schweißgebadet. Diese elende drückende Luft und der tote Mathae in unmittelbarer Nähe verschafften den Beamten den Eindruck, mitten im Fegefeuer zu stehen. Richards Blick blieb an dem weißen Laken, das neben ihm am Boden lag, kleben. Zielgerichtet ging er auf die Vier zu. Er sah aus wie Bruce Willis in "Stirb langsam". Das getrocknete Blut an seinem Hemd, das zum Teil über dem Gürtel aus der Hose hing, die Spuren eines Kampfes, die sich in seinem Gesicht abzeichneten und besonders sein Mienenspiel vermittelten jedem das Gefühl, das Gefahr im Verzug war, wenn man mit dieser Mixtur auch nur ein wenig falsch umging.
    Der Einzige, dem die in dieser Situation angebrachte Sensibilität gänzlich fehlte, war der

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