Missbraucht
schön, dass du gekommen bist", sagte Dr. Heb, der hinter seinem Schreibtisch saß. Er hatte sich vorgenommen, so vertraut wie möglich mit dem Jungen zu reden, ohne es aber an der nötigen Autorität fehlen zu lassen, um sein Anliegen Mathae nachhaltig klar zu machen.
"Setz dich dort an den Tisch, ich komm auch. Möchtest du was trinken? Einen Saft?"
Mathae schüttelte den Kopf.
Dr. Heb setzte sich zu dem Jungen und legte einen Ordner vor sich ab.
Mathae hatte die Hände in den Schoß gelegt und schaute den Doktor an.
"Frank ist tot, er wird nicht mehr kommen, Mathae. Ihr werdet euch nicht mehr sehen können." Friedhelm Heb sagte es so, als würde er dem Jungen eine schlechte Nachricht überbringen und müsse ihn nun trösten. Heb wusste, wie der Junge gelitten hatte, wenn er oder Uwe ihn zu Baumel gebracht hatten, und jetzt versuchte dieses Arschloch auf subtile Art und Weise Mathae das Gefühl einzuimpfen, traurig sein zu müssen. Dr. Heb spielte Mathae Mitleid dafür vor, dass der Junge ab jetzt auf die perversen Treffen mit seinem Schänder verzichten musste.
Mathae sagte gar nichts und rührte sich auch nicht. Er hielt den Kopf leicht gesenkt.
Friedhelm Heb musste sich räuspern.
"Hier drin ...", der Doktor öffnete theatralisch den schwarzen Leitzordner, "... hat Frank alles aufgeschrieben, was er gemacht hat, damit du mit Nadia zusammenbleiben kannst und er hat mich gebeten, dafür zu sorgen, dass das auch weiterhin so bleibt. Aber dabei musst Du mir helfen, Mathae. Wenn er nicht gewesen wäre, dann würdest du jetzt vielleicht hier sitzen und Nadia wäre an einem ganz anderen Ort, weit, weit weg, keine Ahnung. Frank hat das alles für euch getan, weil er dich sehr, sehr gerne hatte. Mathae, schau mich an und sag mir, dass du das weißt", Dr. Hebs Stimme klang jetzt nachhaltiger.
Mathae hob zögernd den Kopf und blickte zum Doktor auf. Einen Moment herrschte Stille, dann sagte er leise : „Ja, ich weiß."
"Gut so. Ich will natürlich auch nicht, dass Nadia ohne dich irgendwo hinkommt. Schließlich musst Du ja auf sie aufpassen. Was soll sie denn alleine machen, wenn du nicht bei ihr bist und sie beschützen kannst? Ab jetzt werde ich alles dafür tun, dass ihr zusammenbleibt, aber dafür musst du mir versprechen, dass du niemandem von dir und Frank erzählst. Das ist ganz, ganz wichtig. Du darfst niemals jemandem davon etwas erzählen Mathae, hörst du, versprich es mir!"
Den Doktor beschlich mit einem Mal, das sonderbare Gefühl, dass Mathae seine Worte genaustens analysierte. Der Junge blieb ganz ruhig und schaute Heb mit einem Ausdruck in seinen Augen an, der den Doktor für einen ganz kurzen Augenblick innehalten ließ. Er hatte plötzlich das Gefühl, als ob der Junge seine Absicht durchschaute und ihn dafür verurteilte. In diesem Moment wirkte der elf-jährige Junge auf eine Art bedrohlich, die sich nicht erklären ließ. Ein kurzer Schauer, den er nicht unterdrücken konnte, jagte über seinen Rücken.
"Versprich es mir Mathae . Jetzt!", eindringlich wiederholte Heb seine Worte mit fast drohender Tonlage. Wenn jemand erfährt, dass du und Frank so sehr miteinander befreundet gewesen seid, werden sie Nadia hier wegholen, hörst du!", der Doktor wurde lauter und versuchte Mathae seinerseits mit Angst und Respekt zu manipulieren.
"Sag mir, dass du es niemandem, aber auch wirklich niemandem erzählen wirst, wie gern du den Frank gemocht hast"
Es herrschte für einige Sekunden Schweigen im Zimmer.
"Mathae! Hallo! Sag, dass Du es versprichst", jetzt klang die Stimme des Doktors wieder weich und sanft.
"Ja, ich verspreche es, aber sie dürfen Nadia nicht wegholen", schluchzte der Junge. Dr. Heb konnte sich nicht erinnern, wann er den letzten zusammenhängenden Satz von Mathae gehört hatte. Seine Einschüchterung schien sich auszuzahlen.
"Mach dir keine Sorgen, wenn du immer das tust, was ich dir sage, passiert nichts. Hast du verstanden?"
Mathae antwortet mit einem leisen: "Ja.“
Heb stand auf, ging an seinen Schreibtisch und gab Mathae zwei Tafeln Schokolade.
"Hier, Mathae, eine für dich und eine ist für Nadia. Du kannst jetzt gehen."
Als Mathae das Zimmer verließ, sagte der Doktor, wie als Höhepunkt seines perfiden Spiels: "Vergiss nie was ich gesagt habe Mathae und sei nicht zu traurig."
Dr. Friedhelm Heb war sich sicher, dass seine kleine Einlassung hinsichtlich Mathaes Schwester, den gewünschten Erfolg hatte.
Die Angst um Nadia würde Mathae schweigen lassen.
Der Doktor
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