Missgeburt
er ist natürlich auch
dem Geld nicht abgeneigt, und wenn man sich so ansieht, was in dieser Kirche vor sich geht, fällt sicher ordentlich was für ihn ab. Mal ganz abgesehen von den Mädchen, kommt der Reverend durchaus auf seine Kosten.«
»Aber das darf ich in meinem Artikel natürlich nicht erwähnen. «
»Richtig. Aber dass er ein guter Geschäftsmann ist, dürfen Sie natürlich schreiben.«
»Und in welcher Hinsicht genau?«
»Na ja, dass er seinen Anhängern eine klasse Show bietet und dafür reichlich Spenden von ihnen erhält.«
»Da wir schon dabei sind, Geheimnisse auszutauschen: Darf ich Sie ganz im Vertrauen etwas fragen?« Samuel war sich nicht sicher, ob es richtig war, die Sache mit dem Bohnensack anzuschneiden.
»Nur zu, junger Mann.« Die aufgekratzte Miene des Iren deutete nicht darauf hin, dass es ihm unangenehm war, weitere Informationen herauszurücken.
Angesichts der Mitteilungsbereitschaft seines Gegenübers überlegte es sich Samuel anders und fragte: »Was hat es eigentlich mit diesem Renaissancegemälde auf sich, das Schwartz bei seinen Predigten auf der Bühne entrollt?«
»Das habe ich ihn auch schon gefragt. Angeblich hat er es von Dominique bekommen. Mehr weiß ich darüber allerdings auch nicht.«
»Und Dominique? Was halten Sie von ihr?«
»Ich kenne sie aus ihrem anderen Gewerbe, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Ja. Ich habe gehört, es gibt Männer, die dafür zahlen, von ihr geschlagen und gedemütigt zu werden.«
Samuel lachte, und McFadden röhrte los. »Können Sie sich vorstellen, von dieser Schlampe irgendein Wundermittel zu kaufen, obwohl Sie genau wissen, dass sie nichts anderes im Sinn hat, als Ihnen irgendwas den Arsch hochzuschieben? Aber sie ist
übrigens ebenfalls eine verdammt gute Geschäftsfrau, und sie ist auch diejenige, die mich auf Schwartz aufmerksam gemacht hat. Von ihr weiß ich, dass man mit knackigen jungen Mädels viel bei ihm erreichen kann. Und wie recht sie damit hatte!« Wieder prustete McFadden vor Lachen.
Samuel gelangte zu der Überzeugung, dass nicht mehr viel mehr aus McFadden herauszubekommen wäre, ohne dass der Glatzkopf merkte, was er wirklich wollte. »Sie haben mir sehr geholfen, Mr. McFadden«, sagte er deshalb und verlangte nach der Rechnung.
Der Ermittler winkte ab. »Weshalb so förmlich, Samuel? Für Sie bin ich ab sofort Art, und das Essen geht auf Mr. Harmony. Ich werde ihm erzählen, dass er seit heute einen neuen Freund bei der Presse hat.«
»Dann bedanke ich mich ganz herzlich, Art. Und bestellen Sie Ihrem Chef, es kann nie schaden, Freunde in einflussreichen Positionen zu haben.« Sie lachten wieder und schüttelten sich die Hände.
Als Samuel mit dem Bus zur Fifth Street, Ecke Market fuhr und dann die Cable Car zur Powell Street hinauf nahm, überlegte er, ob die kreischenden jungen Mädchen in den vorderen Reihen der Kirche etwas mit dem Mord an dem jungen Mexikaner zu tun haben könnten. Aber für derlei Spekulationen war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Er hatte zu viel getrunken, um noch einen klaren Gedanken fassen zu können, und hoffte, dass er sich am nächsten Morgen noch daran erinnern könnte.
8 OCTAVIO UND RAMIRO
Z wei Tage nach dem Mittagessen mit Art McFadden fieberte Samuel seinem Termin mit Dominique entgegen. Er war am Vorabend im Camelot gewesen, um Melba von den jüngsten Entwicklungen zu berichten und ihre Tochter Blanche, die endlich wieder vom Lake Tahoe zurück war und hinter der Bar arbeitete, wiederzusehen. Als er sich nach Excalibur erkundigte, erzählte ihm Melba, der kleine Hund sei gerade beim »Friseur«, um sich einer Flohkur zu unterziehen. Samuel konnte sich also voll und ganz seiner angebeteten Blanche widmen und machte sich auf den Weg zum Tresen, um einen ersten Annäherungsversuch zu starten. »Mein Freund Bernardi vom Morddezernat möchte uns zu einem guten Italiener in North Beach einladen, damit du seine Freundin Vanessa kennenlernst.«
»Hört sich ja verlockend an«, antwortete Blanche aufgekratzt.
»Glaubst du, es ließe sich vielleicht an einem Dienstagabend machen? Das ist nämlich mein einziger freier Tag.«
»Ich sorge dafür, dass es ein Dienstagabend wird.«
Samuel fand, Blanche sah blendend aus, und fühlte sich umso mehr zu ihr hingezogen, als sie sich nach langer Zeit wieder einmal bereit erklärt hatte, einen nächtlichen Streifzug durch die Stadt mit ihm zu machen. Er konnte den Blick nicht von ihrem blonden Haar losreißen, das sie mit einem
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