Missgeburt
vor fünf, sechs Monaten abhandengekommen. Der zweite vielleicht zwei Wochen, bevor Sie alles konfisziert haben.«
»Und Sie haben auch keinen konkreten Verdacht, wer die beiden Säcke weggenommen haben könnte?«
»Nein. In der Kirche gehen viele Menschen ein und aus; es könnten also alle möglichen Leute dafür in Frage kommen. So ein Sack kostet ja auch nicht gerade ein Vermögen; deshalb ist mir das Ganze, ehrlich gestanden, auch erst wieder eingefallen, als Sie es angesprochen haben.«
»Die Säcke, die wir mitgenommen haben, waren alle ganz. Haben Sie auch mal einen Sack zerschnitten, bevor Sie ihn in den Korb gelegt haben?«
»Nein, Sir. Pumas Bettchen sollte ja so bequem wie möglich sein.«
Wieder Fehlanzeige. Wir brauchen dringend ein Erfolgserlebnis, dachte Samuel und spitzte verärgert die Lippen. Im Beobachtungszimmer gab es einen schmutzigen Krug mit Wasser. Er goss etwas davon in ein nicht weniger schmutziges Glas und trank einen Schluck, aber am liebsten wäre er in das Vernehmungszimmer gestürmt, um Dominique zu packen und so lange zu schütteln, bis sie endlich mit der Sprache herausrückte. Währenddessen hatte Bernardi nach der Puppe gegriffen und sie hin und her zu schwenken begonnen, sodass ihre schwarzen Haare durch die Luft schlenkerten. »Wozu dient dieses komische Ding hier?«, fragte er. »Und was ist das für ein eigenartiger Geruch?«
Dominique wand sich auf ihrem Stuhl und verschränkte die Arme über der Brust. »Das ist eine ganz normale Puppe, wie jeder sehen kann.«
»Schon klar. Aber wofür wird sie verwendet?« Der Lieutenant konnte seine Ungeduld nur mühsam im Zaum halten.
»Darüber darf ich nicht sprechen«, erklärte die Domina bestimmt und setzte sich kerzengerade auf.
»Entweder Sie rücken jetzt mit der Sprache heraus, Ma’am, oder ich muss Sie so lange einsperren, bis Sie endlich zu reden anfangen«, knurrte Bernardi.
Dominique setzte sich gemächlich zurück und lächelte. »Machen Sie mir doch nichts vor, Lieutenant. Sie können mich nicht einfach einsperren und hoffen, dass ich Ihnen irgendwann erzähle, was Sie hören wollen. Sie müssen mich entweder laufen lassen oder wegen eines konkreten Vorwurfs Anklage gegen mich erheben. Ich kenne meine Rechte.«
»Das mag ja sein«, antwortete Bernardi. »Trotzdem kann ich Ihnen jetzt schon garantieren, dass Sie es bitter bereuen werden, wenn Sie nicht auf der Stelle mit der Sprache herausrücken.«
»Daran zweifle ich nicht im Geringsten – auch wenn Sie bisher sehr zuvorkommend waren. Was springt für mich dabei heraus, wenn ich Ihnen etwas über die Puppe erzähle und was es für eine Bewandtnis damit hat?«
Samuel lachte still in sich hinein. Sie hatte gemerkt, dass sie wegen ihrer Voodoopraktiken Ärger bekommen konnte.
»Was wollen Sie als Gegenleistung?«, fragte Bernardi.
»Ich will, dass Sie wegen meiner magischen Praktiken keine strafrechtlichen Schritte gegen mich einleiten«, erklärte die Domina.
»Ich versichere Ihnen, dass wir Sie nicht wegen schwarzer Magie anklagen werden, wenn Sie mir erzählen, was es mit dieser Puppe auf sich hat. Aber natürlich nur, wenn Sie mir auch nichts vormachen.«
»Das hätte ich gern schriftlich«, erklärte Dominique.
Als Bernardi und seine zwei Kollegen darauf das Vernehmungszimmer verließen, folgte ihnen Samuel auf den Flur. »Ich glaube, was den Ingwer und die Lakritze angeht, lügt sie«, warnte er die Cops. »Deshalb sollten wir ihr den Hokuspokus mit der Puppe auf keinen Fall durchgehen lassen.«
Bernardi winkte Samuel mit dem Zeigefinger zu sich und ging mit ihm ein Stück den Gang hinunter. »Aber genau das ist doch das Problem. Wenn wir ihr nicht wenigstens einen gewissen Straferlass in Aussicht stellen, wird sie uns gar nichts erzählen. Was die Abtreibung angeht, ist es ihr gelungen, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, aber sie weiß natürlich, dass wir sie wegen der schwarzen Magie drankriegen können. Außerdem: Wenn wir ihr in diesem Punkt Straffreiheit zusichern und sie uns belügt, ist sie trotzdem geliefert.«
»Aber wie wollen Sie ihr nachweisen, dass sie lügt?«, fragte Samuel.
»An diesem Punkt kommen Sie ins Spiel. So etwas herauszufinden ist doch Ihre Spezialität.«
Mit diesen Worten kehrte der Lieutenant zu seinen beiden Kollegen zurück, beriet sich mit ihnen und entschuldigte sich dann kurz, um in das Büro des Staatsanwalts zu gehen, der für den Mord an Octavio zuständig war. Als er wenig später mit einem
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