Missgeburt
alles eine einzige Enttäuschung«, seufzte Samuel. »Ich
war mir so sicher, dass Sie in seiner Garderobe etwas Belastendes finden würden.«
»Wir haben dort geringe Mengen von diesem Bilsenkraut gefunden, aber leider nicht genug, um dem Prediger irgendetwas anlasten zu können. Wenn die Hexe recht hat, kann er einfach behaupten, das Mädchen hätte es ihm zusammen mit der Puppe gegeben.«
»Und McFadden, der Ermittler Michael Harmonys, dieses zwielichtigen Anwalts? Hat er nicht behauptet, er hätte dem Zwerg für die Mandanten, die er seinem Chef zugeschanzt hat, junge Mädchen zugeführt?«
»Als wir ihn vernommen haben, hat er das geleugnet. Und um Ihre Tarnung nicht auffliegen zu lassen, konnten wir uns natürlich nicht auf das Gespräch beziehen, das Sie mit ihm geführt haben. Ich werde allerdings jemanden darauf ansetzen, in Gewerkschaftskreisen Erkundigungen über die Sache einzuziehen. Aber Sie wissen ja, wie das ist: Wenn das eigene Auskommen auf dem Spiel steht, redet keiner gern.«
»Trotzdem, ich bin nicht bereit, mich einfach damit abzufinden, dass plötzlich alle unsere Bemühungen im Sand verlaufen«, fuhr Bernardi fort und tippte mit dem Bleistift nachdenklich auf seinen Schreibtisch. »Eigentlich dachte ich, wir hätten genügend gegen die beiden vorliegen, um sie festnehmen zu können. Aber jetzt müssen wir uns erst mal eine neue Strategie überlegen.«
»Wenn Sie mich fragen, kommen wir so nicht weiter«, erklärte Samuel resigniert. »Es muss irgendeinen wichtigen Punkt geben, den wir bisher übersehen haben. Am besten, wir lassen das Ganze einfach mal abhängen. Kommen Sie doch heute Abend ins Camelot. Dort können wir dann mit Melba über alles reden.«
12 ZURÜCK AUF ANFANG?
S amuel und Bernardi saßen mit Melba, die den Rauch ihrer Lucky Strike in das sich langsam füllende Lokal blies, am Stammtisch des Camelot und schilderten ihr, was sie im Zuge ihrer Nachforschungen über Octavios Tod und Saras Verschwinden herausgefunden hatten.
»Ich muss schon sagen, ihr wart wirklich fleißig«, bemerkte Melba anerkennend. »Sind denn inzwischen noch mehr Leichenteile aufgetaucht?«
»Nein«, sagte Samuel. »Anscheinend hat die Person, die sie verschwinden lassen wollte, aus ihren Fehlern gelernt.«
»Du meinst, der Betreffende weiß inzwischen, wie er sich ihrer unbemerkt entledigen kann?«
»Genau das meine ich. Das erste Leichenteil wurde nur dank eines hungrigen Waschbären entdeckt. Das zweite ist aufgetaucht, weil es der Täter nicht genügend beschwert hat, bevor er es in die Bay warf. Aber wer kann schon sagen, wie viele Leichenteile er sonst noch hat verschwinden lassen, ohne dass sie entdeckt wurden? Vielleicht ist von der Leiche schon längst nichts mehr übrig.«
»Habt ihr euch eigentlich genau angesehen, was sonst noch in der Mülltonne war?«, fragte Melba. »Vielleicht habt ihr etwas Wichtiges übersehen.«
»Das wäre natürlich möglich«, sagte Samuel. »Ich kann mir ja alles noch mal gründlich vornehmen.«
»Vielleicht sollte man noch einmal ganz unvoreingenommen an die Sache herangehen. Es wäre doch denkbar, dass ihr am falschen Ort sucht und die falschen Leute verdächtigt«, gab ihnen Melba weiter zu bedenken.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Bernardi.
»Na ja, dass Sie sich bei Ihren Ermittlungen vielleicht nicht allein auf den Zwerg und die Hexe konzentrieren sollten.«
»Aber bisher deutet doch alles darauf hin, dass die beiden etwas mit der Sache zu tun haben«, entgegnete Bernardi.
»Trotzdem konnten Sie ihnen bisher nicht wirklich etwas anlasten«, erklärte Melba. »Sie haben nach wie vor keinerlei konkrete Beweise gegen einen der beiden.«
Bernardi und Samuel schüttelten energisch die Köpfe. »Wir sind fest davon überzeugt, dass beide in die Sache verwickelt sind«, erklärte Bernardi bestimmt. »Wir wissen nur noch nicht genau, wie«, verteidigte sich der Polizist.
Samuel schwieg eine Weile, bevor er einräumte: »Vielleicht hat Melba recht. Vielleicht übersehen wir etwas Wichtiges, etwas, dessen Bedeutung wir falsch eingeschätzt oder überhaupt nicht erkannt haben.«
»Es ist ja auch nicht auszuschließen, dass dem Mädchen gar nichts zugestoßen ist. Vielleicht ist sie sogar absichtlich untergetaucht. War sie nicht schwanger?«
»Wie bei den Italienern herrscht auch bei den Mexikanern ein sehr starker familiärer Zusammenhalt«, erklärte Bernardi. »Sie nehmen es grundsätzlich positiv auf, wenn ihre Kinder ihrerseits wieder Kinder
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