Missgeburt
selbst diese Dünnbrettbohrer merken, dass sie mit solchen hirnrissigen Maßnahmen nichts bewirken. Wird langsam mal Zeit für ein paar Politiker mit echten Visionen.« Samuel nickte beifällig, und der Barkeeper nannte ihm verschiedene andere Etablissements in North Beach, in denen Schwartz verkehrt hatte, darunter das Finocchio’s am Broadway und das Anxious Asp in der Green Street. Der letzte Tipp des Barkeepers stürzte Samuel allerdings ein wenig in Verwirrung. »Aber vergessen Sie nicht, dass der kleine Kerl auch auf Nutten stand, und von denen fand er jede Menge oben im Sinaloa.«
»Was ist das Sinaloa für ein Laden?«, fragte Samuel.
»Das ist ein mexikanischer Nachtclub nicht weit von hier, an der Ecke Powell und Vallejo. Die Show dort kann sich echt sehen lassen – selbst wenn man nicht an den Extras interessiert ist.« »Hört sich ganz so an, als sollte ich auch dort mal vorbeischauen«, sagte Samuel. »Und wo kann ich Big Daddy finden?«
»Soviel ich gehört habe, hat er zurzeit unten in Südkalifornien eine Kneipe, in Venice. Aber mehr weiß ich darüber leider auch nicht.«
Samuel fand, dass er inzwischen genügend Anhaltspunkte hatte,
um in den nächsten zwei Wochen jeden Abend zu einer ausgiebigen Kneipentour aufzubrechen; deshalb müsste die Suche nach Big Daddy Nord erst einmal warten. Die erste und vordringlichste Frage, die sich ihm stellte, war allerdings, woher er das nötige Geld nehmen sollte, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die Entdeckung, dass Sara noch am Leben war, hatte ihn in der Gunst seines Chefredakteurs wieder deutlich steigen lassen, sodass er Melba die zweihundert Dollar zurückzahlen konnte. Dadurch war er aber erneut pleite. Deshalb beschloss er, diesmal Bernardis Morddezernat-Bestände anzuzapfen.
Samuel verabredete sich mit dem Lieutenant im Camelot. Er steckte Excalibur, der ihn wie immer freudig begrüßte, sein obligatorisches Mitbringsel zu und kraulte ihn ausgiebig am Kopf. Melba orderte beim Barkeeper wie üblich einen Scotch on the rocks für ihn, und die beiden nahmen am Stammtisch Platz.
Als wenig später Bernardi zu ihnen stieß, besprachen sie Samuels jüngste Entdeckungen. »Wie ich die Sache inzwischen sehe«, sagte er, »hatte der Zwerg ein wesentlich vielschichtigeres Sexualleben, als wir bisher angenommen haben. Abgesehen von seinen Abenteuern mit der Domina und den minderjährigen Mädchen stand er auch auf Homos, Transvestiten, Lesben und gewöhnliche Nutten.«
»Ein Mann für alle Jahreszeiten«, bemerkte Bernardi trocken.
»Jetzt seid ihr auf der richtigen Fährte, glaube ich«, sagte Melba nickend. »In solchen Kreisen könnte sich ein Kerl herumtreiben, der abartig genug veranlagt ist, um den Jungen und den Zwerg ohne großen Grund umzubringen.«
»Wie kommst du darauf, dass es nur ein Täter war?«, fragte Samuel. »Es könnten doch auch mehrere gewesen sein.«
»Und wie kommen Sie darauf, dass beide Morde auf das Konto desselben Täters gehen?«, fragte Bernardi.
»Ein Zusammenhang zwischen den beiden Taten besteht auf jeden Fall«, erklärte Melba bestimmt. »Und wie bereits gesagt, bin
ich auch ziemlich sicher, dass wir es nur mit einem Täter zu tun haben und nicht mit mehreren. Den Zusammenhang zwischen dem Mord an dem jungen Mexikaner und an dem Zwerg herzustellen, überlasse ich euch, aber ich gehe jede Wette ein, dass das verbindende Element Sara ist.«
»Meinst du eine Eifersuchtsgeschichte?«, fragte Samuel.
»Möglicherweise. Das wäre jedenfalls nicht der schlechteste Ausgangspunkt.«
»Und wer war deiner Meinung nach eifersüchtig auf wen?«, hakte Samuel nach.
»Woher soll ich das wissen? Ich denke hier nur laut nach.«
An dieser Stelle meldete sich Bernardi wieder zu Wort. »Vielleicht sollte ich mal ein paar verdeckte Ermittler auf die Bars ansetzen, die dir der Barkeeper genannt hat, Samuel.«
»Genau das sollten Sie unbedingt bleiben lassen«, warnte Melba. »Wenn die Polizei anfängt, rumzuschnüffeln und Fragen zu stellen, spricht sich das in der Szene in Windeseile herum, und es hat nur zur Folge, dass kein Mensch mehr mit Ihnen redet und die Verdächtigen untertauchen. Ist ja auch kein Wunder, schließlich will die Polizei ja diese ganzen Läden dichtmachen. Ich finde es gut, wie Samuel bisher an die Sache rangegangen ist. Soll er ruhig in diesem Stil weitermachen.«
»Wäre das für dich okay, Samuel?«, fragte Bernardi, der Melbas Vorschlag offensichtlich guthieß.
»Ja, das fände ich sogar eine
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