Mission Ares
immer leicht vom Kurs ab. Heute würde Stone Position und Geschwindigkeit des Raumschiffs ermitteln und den Kurs neu bestimmen; und morgen, wenn sie es denn schafften, würde das zweite TCM das Schiff vollends auf den richtigen Kurs bringen.
Die Bodenstation verfügte über eine ganze Palette an
Möglichkeiten, um die Position eines Raumschiffs zu
bestimmen. Je schneller das Schiff sich von der Erde entfernte, desto stärker wurde die Trägerfrequenz des Funks verschoben, wie beim Pfeifen eines vorbeifahrenden Zugs. Zur Bestimmung der Entfernung wurde ein Modulationsmuster – ein kurzer digitaler Code – zum Raumschiff abgestrahlt und wieder aufgefangen. Anhand der Laufzeit des Signals sahen die Spezialisten auf der Erde, wie weit das Schiff von der Erde entfernt war. Darüber hinaus verwendete die Ares eine experimentelle Methode, wobei der Winkel zwischen der Ares und einem Quasar – einer weit entfernten Radioquelle –gemessen wurde.
Doch nicht einmal die Kombination dieser Techniken
erlaubte eine hinreichend präzise Ortung der Ares; die
Genauigkeit betrug nur etwa die Hälfte des erforderlichen Werts.
∗ TCM: Trajectory Correction Maneuver = Flugbahn-Korrekturmanöver Die Ares verfügte selbst über automatische optische Sensoren. Zum einen gab es zwei Sonnensensoren –Cadmiumsulfid-Photowiderstände – auf dem Sonnensegel.
Dann gab es noch ein sogenanntes Sternfolge-Gerät, eine Linse mit einer Sondenröhre. Doch das automatische System war nicht allzu effektiv. Alle paar Tage wurde das Sternfolge-Gerät durch helle Teilchen irritiert, Abfallpartikel, die zusammen mit dem Raumschiff die Sonne umkreisten.
Also mußte Phil Stone – wie die irdischen Seefahrer es seit Tausenden von Jahren getan hatten – das Schiff nach den Sternen navigieren.
Er summte bei der Arbeit. Er wußte, daß er sein Handwerk beherrschte. Er hatte in Planetarien auf der Erde und im Mondlabor geübt; er war in der Lage, Messungen mit einer Genauigkeit von ein paar Bogensekunden durchzuführen.
Diese Befähigung verschaffte ihm eine große Befriedigung.
Als er fertig war, packte er die Instrumente zusammen und schwebte wieder zu seiner Steuerkonsole. Dann gab er die Zahlen in den Computer ein, um die Position zu ermitteln.
Natürlich würde er die Rohdaten an Houston übermitteln, doch er wollte sich beweisen, daß er selbst auch dazu imstande war.
Stone fand Gefallen daran, die Flugbahn des Raumschiffs zu visualisieren und zu ermitteln, wo er sich gerade befand.
Die Energie, die zum Einschuß in die Transferbahn
verbraucht wurde, war für menschliche Begriffe monumental.
Schließlich hatte es fünf Jahre gedauert, den Treibstoff in den Orbit zu transportieren. Im kosmischen Maßstab indes war der Betrag so gering, daß die Flugbahn des Raumschiffs kaum von der Erdbahn abwich. Nachdem der Ares-Verbund sich von der Erde abgestoßen hatte, driftete er nun neben dem Heimatplaneten im Orbit, wie ein Hund neben seinem Herrchen.
Die ersten Ergebnisse sahen gut aus; das Raumschiff war
dort, wo es sein sollte. Wenn durch die TCM-2-Zündung die Geschwindigkeit um einen Meter pro Sekunde erhöht würde, wäre das schon genug.
Nach getaner Arbeit gönnte er sich eine Pause. Er drehte die Beleuchtung der Messe herunter und saß in der warmen Kabine am Panoramafenster, umgeben vom Summen der Lüfter.
Die Ares war nun allein im Weltraum: Erde und Mond waren zu einem Paar sternenartiger Lichtpunkte geschrumpft. Im ganzen Universum erschien nur die Sonne als Scheibe.
Das Gefühl der Isolation war überwältigend: weitaus
intensiver, als er es bei den bisherigen Raumflügen erlebt hatte.
Nicht einmal in Moonlab hatte er sich so einsam gefühlt. Wenn man sich nicht gerade hinter dem Mond befand, hatte man die Erde immer im Blick. Und in Skylab A dominierte die Erde ohnehin jeden wachen Augenblick, und man fand Halt an dieser großen Decke aus Licht, an den Kontinenten und Ozeanen, die unter einem dahinzogen.
Hier draußen war das anders. Es gab kein ›oben‹ und ›unten‹: es gab nur kleine Felseninseln, die im All umhertrieben. Für den interplanetaren Raumflug würden die Menschen eine neue Art der Wahrnehmung entwickeln müssen, sagte er sich, ein dreidimensionales Bewußtsein.
Während die Augen sich an die Dunkelheit anpaßten, kamen die Sterne zum Vorschein: Millionen – viel mehr, als durch die trübe Atmosphäre der Erde zu sehen waren. Er sah die Galaxis, einen großen Fluß aus Sternen. Er erkannte den
Weitere Kostenlose Bücher