Mission Ares
unser Image aufzupolieren und uns in ein paar Jahren wieder an die Spitze der Raumfahrt zu setzen – sagen wir, in fünf bis sechs Jahren, also noch innerhalb seiner voraussichtlichen Amtszeit –, wird Reagan es vielleicht kaufen.« Seine wässrigen Augen glänzten. »Und wir müssen jetzt handeln, während seine Administration sich etabliert. Aber…«
»Aber was?«
»Aber Reagan ist nicht Kennedy. Und Bush ist bestimmt
nicht LBJ. Eine bloße Ankündigung ist nicht genug. Ich weiß nicht, ob es uns gelingen würde, hinter einem solchen Programm eine Interessenkoalition zu bilden und vor allem zusammenzuhalten. Und falls NERVA ein Schuß in den Ofen wird, was hätten wir Reagan dann überhaupt anzubieten, Joe?«
Er schenkte sich noch einen Drink ein. »Meine Güte. Ich sage Ihnen, ich weiß nicht, ob mir das noch einmal gelingen würde.
Über die Jahre habe ich im Kapitol viel Kredit verspielt, mit den ständigen Programmverzögerungen und Mehrkosten. Und nun noch diese Katastrophe mit der NERVA. Ich weiß nicht, ob ich in der Lage bin, noch einmal dort hinzugehen und zu kämpfen. Ich weiß nicht einmal, ob ich es überhaupt versuchen sollte.«
Er spielt mit dem Gedanken, aufzugeben, erkannte Muldoon.
Die plötzliche Erkenntnis schmerzte ihn, traf ihn fast wie einen körperlichen Schock. Verdammt! Wieso habe ich das nicht schon früher erkannt?
Weil, so sagte er sich, er das nicht hatte erkennen wollen.
Eine NASA ohne Fred Michaels an der Spitze war völlig
undenkbar für Muldoon und sicherlich auch für die meisten Amerikaner.
Muldoon war hinreichend mit den Abläufen in der NASA
vertraut, um zu wissen, aus welchem Holz man als Leiter
dieser Organisation geschnitzt sein mußte. Wissenschaftler oder Ingenieure kamen hierfür nicht in Frage. Es mußte jemand sein, der die komplizierte politische Szene ebenso kannte wie die öffentliche Meinung. Es mußte ein Manager sein, jemand, der imstande war, die rivalisierenden Gruppen zu effektiver und effizienter Arbeit zu motivieren. Es mußte ein Mann sein, der einen guten Draht sowohl zum Kongreß, als auch zum Pentagon sowie zum Haushaltsausschuß hatte.
Fred Michaels war ein solcher Mann.
Michaels hatte, wie bereits sein Vorgänger James Webb, die Fähigkeit bewiesen, eine politische Lobby hinter einem Raumfahrtprogramm zu formieren und sie – was letztlich der entscheidende Punkt war – mittelfristig aufrechtzuerhalten.
Michaels Beständigkeit sowie seine schier unerschöpfliche Energie und sein Engagement hatten wahrscheinlich genauso viel wie Kennedys Fürsprache dazu beigetragen, die NASA während dieser langen und scheinbar fruchtlosen Jahre über die Runden zu bringen.
Mit weniger kompetenten Männern im Büro des NASA—
Leiters, wurde Muldoon sich bewußt, wäre die NASA schon
vor Jahren in echte Schwierigkeiten geraten.
Und nun, auf der Talsohle, will er aufgeben und sich ins beschissene Dallas verkrümeln.
Muldoon saß im schummrigen Büro, hörte Michaels zu und
schaute auf den flackernden Bildschirm.
Das erinnerte ihn an jenen Tag, als sein Vater ihm eröffnet hatte, daß er unheilbar krank sei; damals hatte er sich genauso entwurzelt und unsicher gefühlt.
Ich muß endlich erwachsen werden, sagte er sich.
Aber was, zum Teufel, soll ich denn tun?
März-April 1981
Lyndon B. Johnson-Raumfahrtzentrum, Houston
Aus Joe Muldoons Sicht erlangten die Diskussionen und die Entscheidungsfindung bezüglich der künftigen Gestalt des Raumfahrtprogramms während der nächsten Wochen eine dramatische Dynamik.
Reagan beauftragte seinen Berater im Weißen Haus, die
Optionen zu prüfen. In einem Raum des Weißen Hauses mit
Blick auf den südlichen Rasen wurde eine Besprechung im
kleinen Kreis anberaumt. Anschließend unterrichtete Tim
Josephson Muldoon über den Verlauf der Sitzung. Eine
Handvoll Leute hatten dort stundenlang kontrovers diskutiert: der Berater des Präsidenten, der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Fred Michaels, Josephson, ein paar Assistenten sowie Michaels’ alter Widersacher Leon Agronski.
»Das war wichtig für uns, Joe. Es handelt sich vielleicht um die wichtigste Besprechung seit der Entscheidung für den Flug zum Mond. Doch hauptsächlich haben wir uns wegen der lausigen Entscheidungen gestritten, die uns überhaupt in diese Lage gebracht haben. Und dann hatte Agronski wieder betont, welche Zeitverschwendung die bemannte Raumfahrt doch sei… Ich habe aber noch immer den Eindruck, daß Reagan
nach
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