Mission Clockwork: Angriff aus der Tiefe
Gang entlang. Die Tür zu seiner Kammer stand einen Spaltbreit offen. Er war sich sicher, sie geschlossen zu haben. Langsam stieß er die Tür auf. Die winzige Kabine war leer, auf der Pritsche lag noch die zerwühlte Decke, die Schublade der Kommode stand ein paar Zentimeter heraus. Jemand hatte sein Zimmer durchsucht und es war ihm ganz offensichtlich egal gewesen, ob Modo es bemerkte. Er schloss die Tür hinter sich, tastete unter der Matratze nach dem drahtlosen Telegrafen und war erleichtert, ihn an seinem Platz zu finden. Zumindest dem Apparat war nichts geschehen.
Er telegrafierte eine Nachricht, für die er sich eines Codes bediente, den Mr Socrates kannte: Agent Modo STOP an Bord von Unterseeboot STOP . Es gab keine Möglichkeit, dass man zu ihm Kontakt aufnahm. Und seine Nachricht würde nur gesendet werden, falls die Ictíneo sich zufällig in der Nähe eines der transatlantischen Seekabel befände. Wie groß war diese Chance? Er tippte den Text ein zweites Mal und ein drittes Mal, dann verbarg er das Gerät erneut in der Brieftasche unter der Matratze.
Mr Socrates würde hocherfreut sein, von der Existenz der Ictíneo zu erfahren. Ein Unterwasserschiff wie dieses würde England zur Herrin der Weltmeere machen. Die Deutschen, Franzosen oder Russen würden es nicht wagen, sich mit einem Reich anzulegen, das in der Lage war, mit solcher List Schiffe zum Sinken zu bringen.
Surrend und perfekt ausbalanciert glitt die Ictíneo durch das Wasser. Einzig die schwüle Hitze machte Modo zu schaffen. Wahrscheinlich war sie auf die verbrauchte Atemluft der Menschen an Bord zurückzuführen.
Da ihm das Atmen schwerfiel und er sich erschöpft fühlte, beschloss Modo, sich mit einem kurzen Schläfchen zu erfrischen. Vielleicht würde es ihm danach gelingen, sein Gesicht zu verwandeln. Die Tür ließ sich nicht absperren, also drehte er ihr den Rücken zu und nahm seine Maske ab.
Er hörte ein erschrockenes Keuchen. Sein Herz raste, während er sich hastig die Maske wieder überzog. Die Tür war geschlossen, die Kammer leer. Vielleicht gab es irgendwo ein kleines Loch in der Wand, durch das ihn jemand beobachtete? Er suchte die Wände vom Boden bis zur Decke ab. Dann kletterte er auf die Pritsche, schirmte die Augen gegen das Lampenlicht ab und überprüfte alle Ecken. Nichts.
Als er sich erneut zur Tür umdrehte, war sie nur noch angelehnt. Ein Spion! Mit einem Stoß knallte Modo die Tür zu. Es bestand kein Zweifel, dass jemand sein Gesicht gesehen und der Anblick ihn entsetzt hatte. Aber wer? Er nahm den kleinen ovalen Spiegel von der Wand. Nein, auch hier war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Keine Gucklöcher. Hatte der Unbekannte durch den Türspalt gespäht?
Modo fühlte sich hintergangen. Während des kurzen Gesprächs mit Delfina Monturiol hatte er den Eindruck gewonnen, dass sie zwar schonungslos gegen ihre Feinde vorging, jedoch eine ehrenhafte Seite hatte. Andere Menschen zu bespitzeln, passte nicht recht zu ihr.
Vorerst konnte er in der Sache nichts unternehmen. In Kürze würde er der Kapitänin an der Tafel gegenübersitzen und das bedeutete, er musste seinen Mund zum Essen entblößen. Seine Muskeln waren müde und selbst wenn er die Kälte mittlerweile nicht mehr in den Knochen spürte, so war er doch immer noch schwach von der Tortur in dem eiskalten Wasser.
Vielleicht könnte er sein Aussehen wenigstens ein bisschen präsentabler machen, indem er sich auf sein Gesicht und den Buckel konzentrierte. Also bearbeitete er mit Willenskraft seine Knochen und Muskeln, ließ seine breite Nase eine schmale Form annehmen, verlieh seinem Kiefer den glatten, aristokratischen Schwung des Ritters und zwang seinen Buckel, zu schwinden. Als er fertig war, zog er ein Jackett an. Es war zu groß, doch das kam ihm gelegen, weil es so seine Unzulänglichkeiten verhüllte. Bei einem Blick in den Spiegel fand er sich recht ansehnlich.
Die blitzförmigen Zeiger auf seiner Zimmeruhr standen auf fünf vor neunzehn Uhr, als er auf den Gang hinaustrat. Einer von Monturiols Männern wartete bereits.
»Guten Abend, Sir«, sagte Modo. Erst auf den zweiten Blick erkannte er, dass es sich in Wirklichkeit um eine breitschultrige Frau mit einem kantigen Kinn und grimmiger Miene handelte. Sie schüttelte den Kopf. Entweder wollte sie nicht reden oder sie sprach kein Englisch. »¡Hola!«, sagte er und hoffte auf eine Antwort. Die Frau gab ihm ein Zeichen, ihr durch den Gang in Richtung Vorderschiff zu folgen. Sie passierten
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