Mission Munroe 03 - Die Geisel
Verlauf nehmen, wirst du dann sehr leiden müssen?«
Es folgte ein langes Schweigen, dann legte er auf.
Munroe hielt den Blick auf den Boden gerichtet, voll konzentriert. Er hatte ihr verraten, was sie wissen wollte, und sie hatte im Gegenzug Samen ausgestreut, die vielleicht, wenn sie Glück hatte, irgendwann aufgingen und Wurzeln bildeten, die stark genug waren, um die harte Kruste zu sprengen, die ihn zum Handlanger des Puppenmachers machte.
Nachdenklich klopfte Munroe mit dem Finger auf die Motorhaube. Ihr Ziel war das Fürstentum Monaco, der mit einer Fläche von zwei Quadratkilometern zweitkleinste und gleichzeitig am dichtesten besiedelte Staat dieser Erde, Steueroase und Spielplatz der Superreichen, bekannt durch Monte Carlo und den Formel-Eins-Grand-Prix. Zwei Quadratkilometer hügelige Landmasse, bepflastert mit engen, kurvigen, ständig verstopften Straßen, mit Tiefgaragen und dicht gedrängt stehenden Hochhäusern, und das alles an dieser Küstenstraße, keine zwanzig Minuten entfernt.
Im Schutz der Dunkelheit wäre eine Übergabe vielleicht halbwegs machbar gewesen, aber wenn sie Neeva um diese Uhrzeit mitten ins Zentrum des Stadtstaates brachte, war jede Menge Aufmerksamkeit garantiert und ein im Prinzip klarer, eindeutiger Tauschhandel – Geld gegen Ware – verwandelte sich in ein sprichwörtliches Selbstmordkommando.
Monaco.
Wahnsinn.
Sie brauchte keine der Erfahrungen aus ihrer Teenagerzeit zu bemühen, als sie mit Waffen-und Drogenschmugglern unterwegs gewesen war, um zu wissen, dass dieser Plan nicht von einem Menschen oder einer Organisation gemacht worden war, für die der erfolgreiche Abschluss dieser Mission oberste Priorität hatte. Dies war vielmehr eine Aktion, die die Behörden reizen und herausfordern sollte.
Anweisungen des Klienten.
Natürlich.
Ein gelangweilter, intelligenter, sadistischer und äußerst wohlhabender Klient, verärgert über die Verzögerung. Und jetzt wollte er mit den Kriminellen Spielchen spielen, sie nach seiner Pfeife tanzen lassen. Den Einsatz erhöhen. Sie scheitern lassen.
Die Übergabe sollte beim Port Hercules stattfinden, dem Tiefwasserhafen von Monaco, wo viele der größten Privatjachten der Welt beheimatet waren und viele andere zu Besuch vor Anker lagen. Gab es eine bessere Möglichkeit für einen Mann mit einem ins Unermessliche übersteigerten Ego, seine Schachfiguren hin-und herzuschieben oder die Regierungen dieser Welt zum Narren zu halten – ein Fuchs, der frech direkt vor der Nase des Bauern in den Hühnerstall spaziert und ihn geradezu auffordert, ihn zu fangen –, als eine entführte Frau am helllichten Tag in das Land mit der niedrigsten Kriminalitätsrate und den meisten Polizisten pro Einwohner bringen zu lassen, um dann heimlich, still und leise mit ihr zu verschwinden?
Munroe griff in die Tasche und holte das gestohlene Handy hervor. Sie wusste, wie sie vorgehen würde, aber bevor sie anfing, hoffte sie auf Neuigkeiten aus Dallas, die vielleicht ihre inneren Stimmen zum Verstummen bringen und ihr gestatten würden, sich voll und ganz auf die vor ihr liegende Aufgabe zu stürzen.
Sie schaltete das Display ein und verzog das Gesicht. Der Akku war fast leer, und sie hatte kein Netz. Die Unwissenheit quälte sie, die Stimmen führten in ihrem Kopf unhörbare Dialoge, und Munroe schaltete das Handy endgültig aus. Sie musste sich nur noch so lange zusammenreißen, bis sie die letzten Instruktionen erhalten hatte, die sie dann zu dem Klienten bringen würden.
Sie setzte sich wieder auf den Fahrersitz. Der Anlasser jaulte laut in der relativen Stille, und Neeva schlug die Augen auf. Sie wurde nur langsam wach, aber als Munroe den Wagen halb aus der Parklücke herausmanövriert hatte, wurde aus dieser Schläfrigkeit urplötzlich Panik. Neeva blickte von Munroe auf die Straße, auf den Bürgersteig und wieder zurück auf die Straße, als hätte sie Stunden damit verbracht, sich eine Fluchtmöglichkeit zu überlegen, nur um jetzt festzustellen, dass sie den richtigen Zeitpunkt verpasst hatte. Immer noch leicht benommen schlug die junge Frau um sich, wand sich in ihrem Gurt, kratzte an der Tür und am Gurt gleichzeitig, spannte die Muskeln, jederzeit bereit loszusprinten.
Munroe packte sie am Arm. »Nicht«, sagte sie. Und als Neeva sie mit feurigem, kampfbereitem Blick anstarrte, packte sie noch fester zu, zog das Mädchen dicht zu sich heran und presste zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Lass das. Ich lasse mir für dich
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