Mission Munroe 03 - Die Geisel
Straße. Munroe dirigierte das Mädchen über diverse Fahrspuren, immer auf der Suche nach einer Lücke im Verkehrsstrom. Das Telefon klingelte ein drittes Mal und wurde zum dritten Mal ignoriert.
Von der anderen Straßenseite aus lächelte sie den Klienten an, prägte sich sein Gesicht noch einmal ein. Er würde sterben. Sie würde dafür sorgen, dass er sterben musste, mit absoluter Sicherheit, aber im Augenblick begnügte sie sich damit, dass sie ihn seiner Trophäe beraubt hatte.
Munroe drehte sich um und schob Neeva auf den Tunnel zu. Sie nahmen die Fußgängerunterführung neben der Fahrbahn und hasteten zurück zu ihrem Ausgangspunkt.
Am Eingang zur Garage schätzte Munroe die Entfernung ab und lauschte auf Sirenen, sah sich nach Lumani oder anderen verdächtigen Personen um. Die untere Parkebene hatte sich während ihrer Abwesenheit sichtlich gefüllt. Ohne auf die neugierigen Blicke der Passanten zu achten, den Arm immer noch um Neevas Hüfte geschlungen, schob Munroe das Mädchen bis zu dem Opel.
Sie lenkte den Wagen aus der Parkbucht und steuerte die Ausfahrt an. Als sie das Erdgeschoss erreicht hatten, waren die ersten Sirenen zu hören. Als direkte Reaktion auf Arbens Ermordung eindeutig zu spät. Zumal sein Leichnam bis jetzt noch nicht entdeckt worden war.
Parkschein in den Schlitz, Geld in den anderen Schlitz, Schranke hoch.
Die Sekunden vergingen, die Sirenen wurden lauter.
Munroe ignorierte das Jucken, das ihr befahl zu flüchten. Monaco war gerade einmal fünf Kilometer lang. Sie waren von Norden her ungefähr bis zur Hälfte hineingefahren und würden keine zehn Minuten brauchen, um den Stadtstaat wieder zu verlassen. Die Polizei würde zwar ihre französischen Kollegen verständigen, aber außerhalb des Stadtgebietes, wo nicht mehr jeder Quadratmeter bebaut war, hatten sie eine realistische Chance, sich zu verstecken.
»Suchen die nach uns?«, wollte Neeva wissen.
Munroe nickte.
»Oh mein Gott«, sagte sie. »Michael, halt an. Bleib stehen. Die können uns doch helfen!« Als Munroe nichts weiter tat, als in den Rückspiegel zu schauen und ein langsameres Fahrzeug zu überholen, zog Neeva sie am Unterarm.
Munroes Reaktion auf diese Berührung war spontan und brutal, ohne nachzudenken. Sie bremste sich gerade noch rechtzeitig, und Neeva starrte mit weit aufgerissenen Augen auf Munroes Hand, die regungslos vor ihrer Kehle verharrte.
»Du musst wirklich vorsichtiger sein mit dieser Grapscherei«, sagte Munroe, nahm den Blick von der Straße, sah Neeva kurz an und fügte hinzu: »Ist nichts Persönliches.«
»Halt doch an, bitte«, erwiderte Neeva. »Warum bleibst du denn nicht stehen?«
»Weil die Polizei im Augenblick nicht unser Freund und Helfer ist.«
»Aber natürlich ist sie das«, wandte Neeva ein. Ihr erregt panischer Tonfall wurde zu einem Flehen. »Die wissen doch, wer ich bin. Die können mich nach Hause bringen.«
Im Rückspiegel tauchten jetzt Blinklichter auf.
Die ersten Fahrzeuge machten Platz. »Die hat uns der Heckenschütze auf den Hals gehetzt«, sagte Munroe.
Der Wagen vor ihnen verlangsamte seine Fahrt, um ebenfalls Platz zu machen, und Munroe schoss an ihm vorbei.
Es war wie mit dem einen flüchtenden Mann inmitten einer Schar von Spaziergängern. Sie hatte ihnen genau verraten, wo sie war. Aber dafür hatte sie jetzt freie Bahn. Munroe gab Vollgas, der Opel nahm den Befehl zögerlich an und beschleunigte.
Lumani war klar gewesen, dass sie mit einer entführten Frau auf dem Beifahrersitz und einem Mordopfer in der Tiefgarage keinen Wert auf eine Begegnung mit den Strafverfolgungsbehörden legen konnte. Er zwang sie also, zwischen zwei Übeln zu wählen: Sie konnte sich entweder stellen und Jahre ihres Lebens verlieren, während die Behörden versuchten herauszufinden, was eigentlich genau geschehen war, während Neeva freikam und trotzdem an den Klienten ausgeliefert wurde. Oder sie floh vor der Polizei und ging in eine vorbereitete Falle.
Munroe warf noch einmal einen Blick in den Rückspiegel.
Überzeugte sich, dass Neeva angeschnallt war. Scheiß auf die Enge, scheiß auf die Straßen. Die Stadt besaß mehr als nur einen Ausgang.
Kapitel 28
Lumani schraubte das Zielfernrohr vom Gewehrlauf ab. Jeder seiner methodischen Handgriffe stand im völligen Widerspruch zu seiner Frustration und seiner stetig wachsenden Nervosität.
Drehen. Atmen. Verpacken. Nachdenken.
Wenn er Onkel jemals gehasst hatte, gehasst bis aufs Blut, dann jetzt in diesem
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