Mission Munroe 03 - Die Geisel
wert, gleichgültig, was sonst noch alles geschah, aber genau dieses Was sonst ließ die Angst erwachen, weswegen er auch sie beiseiteschob.
Falls sie tatsächlich immer noch am Leben war, würde sie wahrscheinlich irgendwann ein Telefon in die Finger bekommen und sich wieder bei der Firmen-Mailbox melden, aber er hatte sich oft genug bei Walker vergewissert, um zu wissen, dass das bis jetzt nicht passiert war.
Um kurz vor vier Uhr morgens glitt Bradfords Explorer auf den Parkplatz neben den Trooper. Er und Jahan hatten zuerst in der Notaufnahme ein bisschen gedöst, nachdem sie Logan dort abgeliefert hatten, und anschließend so lange gewartet, bis sie sich sicher sein konnten, dass sein Zustand stabil war. Anschließend hatten sie die dreistündige Rückfahrt nach Dallas angetreten. Bradford war gefahren und steuerte jetzt, übermüdet und mit verquollenen Augen, das Büro an.
Der Empfangsbereich von Capstone Consulting war menschenleer und nur schwach beleuchtet. Drei Tageslieferungen Briefe und Pakete waren ungeöffnet zur Seite geschoben worden und zerstörten das sorgfältig konstruierte Bild der normalerweise makellosen Vorderfront.
Jahan zog seine Karte durch den Schlitz, und sie traten durch die Wandtür. Walker erwartete sie in der Kommandozentrale. Doch noch bevor Bradford fragen konnte, schüttelte sie den Kopf: Immer noch keine Nachricht aus Europa.
»Gibt es was Neues von Adams? Gonzalez?«, fragte er.
»Es gibt einen Termin für eine richterliche Anhörung, aber ansonsten nichts Neues. Alles läuft weiter wie gehabt.«
»Adams ist immer noch in Houston?«
»Kostet uns sinnlos Geld, hängt rum, fühlt sich nutzlos.«
»Kate Breeden wird garantiert etwas unternehmen«, sagte Bradford. »Glaub mir. Es ist kein Zufall, dass das zeitlich alles so gut zusammenpasst.« Er hielt inne. »Was ist mit Alexis? Tabitha? Habt ihr noch mal nach ihnen gesehen?«
»Habe bei der einen geklingelt und so getan, als hätte ich aus Versehen die falsche Adresse erwischt. Die andere habe ich angerufen, mit derselben Ausrede und mit demselben Ergebnis, und dann hat Alexis erst vor zwei Stunden noch mal von sich aus hier angerufen. Alles normal.«
»Ich hab kein gutes Gefühl.«
»Geh schlafen«, sagte sie. »Ich habe noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen, aber nichts, worum du dich jetzt schon kümmern müsstest, und mehr können wir von hier aus im Augenblick ohne neue Entwicklungen sowieso nicht machen.«
Bradford nickte und machte sich auf den Weg in sein Büro, zu seinem Schlafsack, um ein paar Minuten zu schlafen, solange es ruhig war. Denn auch wenn Logan in einem anderen Bundesstaat in Sicherheit und gut versorgt war, war klar, dass diese Geschichte noch lange nicht vorbei war.
Unter seinem Schreibtisch drehte er der ganzen Welt den Rücken zu, und der Schlaf zog ihn schnell und tief in eine trübe Schwärze hinab, noch bevor er sich komplett ausgestreckt hatte. Keine Gefühle mehr, keine Erschöpfung, nur noch Stille und Vergessen.
Doch genauso plötzlich war er wieder wach. Mit einem Mal steckte er mitten im Krieg: eine Explosion, Zittern, Nachhall, zersplitterndes Glas, knirschendes Metall und der Gestank … dieser unauslöschlich brennende, beißende Gestank des gewaltsamen Todes.
Der Überlebensinstinkt, der ihn durch mehr Feuergefechte geführt hatte, als er zählen konnte, veranlasste ihn, den Flur entlangzurobben. Er rechnete mit einer zweiten Explosion, näherte sich den Hilferufen, dem Schlachtgebrüll, den Schreien der Verstümmelten und Blutenden. Er rief die Polizei an, weil sich auf halbem Weg mit einem Mal das Bewusstsein meldete: Er befand sich nicht in einem Kriegsgebiet, er war im Capstone-Büro. Es war auch nicht dunkel, sondern taghell.
Stille folgte auf die Explosion, eine Stille wie ein Schwarzes Loch, das alles in seiner Umgebung in sich aufsaugte und verschlang. Bradford rief nach Jahan. Nach Walker. Hörte ihr Klagegeheul, ihren Hilferuf und bewegte sich darauf zu. Die verkleidete Tür zum Empfangsbereich war nach innen gedrückt worden, die Wände waren zerfetzt. Er mied die Glassplitter, die überall auf dem Teppich lagen.
Im Hintergrund wurden Sirenen hörbar.
Walkers Schreie drangen zu ihm durch, und so watete er durch Treibsand und Feuer in Zeitlupe zum Empfangstresen. Er entdeckte sie gleich hinter der Tür, auf dem Boden, den Kopf gegen den Schreibtisch gelehnt.
Blut, überall Blut.
Er lag auf den Knien und streckte die Hände nach ihr aus, suchte sie ab, behutsam
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