Mission Munroe 03 - Die Geisel
war zum Greifen nah. Er schob sich weiter aus der Deckung, Zentimeter um Zentimeter, da ertönte ein Schuss. Die Windschutzscheibe über seinem Kopf zersplitterte, und dann schlugen mehrere Kugeln in die Seitenwand des Lastwagens ein.
Ohne dem instinktiven Drang, sich in Deckung zu werfen nachzugeben, hastete er zur Fahrerkabine. Bei jedem Schritt ertönten mehrere Gewehrschüsse, kurze Salven in seine Richtung, unterbrochen von einem Aufschrei, dann Stille, und schließlich nahmen beide Gewehre die nebenan gelegenen Gebäude unter Beschuss.
Das Feuer aus der automatischen Waffe hatte rund um den Sattelschlepper für erhebliche Verwirrung gesorgt. Bradford blieb nicht stehen, als er die Zugmaschine erreicht hatte, sondern sprang mit einem mächtigen Satz auf die Einstiegsleiter, riss die Beifahrertür auf und warf sich ins Innere der Fahrerkabine.
Die gegenüberliegende Tür stand ebenfalls offen. Der Fahrer erstarrte, als er Bradford sah.
Dieser richtete seine Waffe auf den Mann und sagte: »Jetzt im Moment bin ich dein bester Freund. Steig ein, bring uns hier weg, und ich werde dir nichts tun. Ich schwöre bei Gott!«
Der Fahrer klappte den Mund auf, als wollte er etwas sagen, aber er rührte sich nicht vom Fleck.
Kapitel 23
Außerhalb von Montebruno, Italien
Neeva starrte zum Fenster hinaus. Bemühte sich krampfhaft, in den schemenhaften Bewegungen da draußen einen Sinn zu erkennen – Arme und Schläge und Tritte, die ineinander verschmolzen und sich gleichzeitig immer weiter vom Wagen entfernten, bis sie in der Dunkelheit schließlich nicht mehr unterscheiden konnte, wer wer war oder wer wen schlug.
Ihre Handflächen waren feucht. Die Hitze ließ ihren Haaransatz prickeln.
Es war alles so schnell gegangen. Voller Verblüffung darüber, wie rasch die Situation eskaliert war, hatte sie angestrengt nach draußen gesehen und dann, in einem Anfall von Panik, das Fenster geschlossen, die Türen verriegelt und einen Blick auf das Zündschloss geworfen, in der verwegenen Hoffnung, dass Michael in der Eile vielleicht den Schlüssel hatte stecken lassen.
Hatte sie aber nicht.
In diesen Augenblicken voller Todesangst hatte Neeva jedes Gefühl für die Zeit verloren. Jetzt klopfte ihr das Herz bis zum Hals und drängte sie zu einer schnellen Flucht. Aber die Angst hielt sie auf ihrem Sitz fest. Die Straße lag in beide Richtungen in völliger Dunkelheit. Nur weit in der Ferne waren stecknadelkopfgroße Lichtpünktchen zu sehen, als hätte Munroe sich genau diese Stelle zum Anhalten ausgesucht, weil sie so weit wie nur irgend denkbar von allem anderen entfernt war. Und da draußen, in der Leere der Nacht, lauerte auch dieses riesenhafte Scheusal aus ihrer Zelle.
Sie wusste nicht, in welche Richtung sie flüchten sollte, um ihm nicht zu begegnen, aber sie kannte diesen Typ Mann, der sich daran aufgeilte, wenn er andere quälen konnte. Falls sie ihm in die Arme lief, ließ sich beim besten Willen nicht sagen, was er machen würde. Alle möglichen Bilder jagten Neeva durch den Kopf, ausreichend Material für einen abendfüllenden Horrorfilm, während sie gleichzeitig das Foto von dem Toten vor sich sah, und wie Michael sich daraufhin übergeben hatte. Ihre Angst wurde noch größer.
Dieser Mann war tot, weil Neeva einen Fluchtversuch unternommen hatte. Wenn sie nun tatsächlich flüchtete, was würden die anderen dann machen? Ohne Zweifel würden sie jemanden umbringen, der ihr sehr nahestand. Vielleicht hatten sie das sogar schon getan.
Sie hatte Herzschmerzen.
Sie hatte Magenschmerzen.
Neeva schluckte den Schmerz hinunter und blickte verbissen nach draußen. Aber da war nur Schwarz zu erkennen und dann eine verwischte Bewegung. Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig als loszurennen. Mit zitternden Fingern suchte sie den Schalter für die Innenbeleuchtung und legte ihn um, damit das Licht nicht anging, wenn sie die Tür aufmachte. Dann schob sie sich auf den Fahrersitz, hielt den Kopf so weit wie möglich unten, mit sparsamen Bewegungen, aus reiner Vorsicht. Draußen brüllte jemand.
Neeva zuckte zusammen.
Ein Schuss durchbrach die Stille, und Neeva suchte nach dem Türgriff.
Michael war die einzige Person da draußen ohne Waffe, also war klar, dass jemand auf Michael geschossen hatte. Michael war tot, und jetzt würde das Schwein sich über sie hermachen.
Neeva entriegelte die Tür, aber noch bevor sie den Türgriff gefunden hatte, ging sie wie von Zauberhand auf, ganz von selbst.
Neeva
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