Mission Munroe 03 - Die Geisel
Gewaltfantasien und den inneren Stimmen ein wenig Erleichterung verschafft, aber trotzdem … sie waren wieder da, nährten sich von ihrer Wut, trieben sie unbarmherzig vor sich her.
Das schrille Piepsen des Handys durchbrach die Stille, und Neeva zuckte zusammen. Dann murmelte sie: »Nein, nicht schon wieder.«
Munroe warf einen Blick auf das Display und flüsterte, als sie Neevas panischen Blick sah, wie ein Reh im Scheinwerferlicht: »Ich glaube, vorerst ist alles in Ordnung.«
Die angezeigte Nummer gehörte nicht Lumani, also konnte es sich bei dem Anrufer nur um den Puppenmacher handeln. Wenn die Geschehnisse der vergangenen Tage überhaupt eine Vorhersage zuließen, dann war dieser Anruf zwar möglicherweise der Vorbote einer neuen Schlacht, aber wohl kaum eine neuerliche Todesnachricht. Schlechte Nachrichten ließ der Puppenmacher lieber von seinen Lakaien und Untergebenen überbringen.
Munroe drückte auf die grüne Taste, sagte aber kein Wort. Nach einer langen Pause sagte der Puppenmacher: »Meine Liebe, Sie sind doch da, oder etwa nicht?« Seine Stimme klang warm und freundlich und war durchdrungen vom selben gebrochenen Realitätssinn, der auch jede seiner Bewegungen im Puppenbüro begleitet hatte.
»Ich höre«, sagte Munroe.
»Ich kann Ihnen nicht geben, was Sie verlangen.«
»Dann gibt es für mich keinen Grund weiterzumachen.«
Er entgegnete: »Wie erwartet ist es die Zeit, die uns Probleme bereitet. Ihr Freund lebt, das kann ich Ihnen versichern. Das Problem besteht darin, dass wir nicht genügend Zeit haben, um Ihnen den Beweis zu schicken. Setzen Sie Ihre Fahrt fort. Es wird nicht lange dauern, nur eine kleine Strecke, dann bekommen Sie, was Sie wollen.«
»Sie haben einen Mann getötet, völlig willkürlich«, erwiderte sie. »Sie haben nichts verloren, und dennoch haben Sie ihm das Leben genommen.«
»Ein Wort wie willkürlich besitzt keinerlei Bedeutung«, sagte er. »Die Verantwortung für alles, was geschieht, liegt ganz allein bei Ihnen. Ganz egal, welche Ursache das Versagen haben mag, Sie müssen den Preis dafür bezahlen. Das habe ich von Anfang an klargemacht.«
Versagen.
Weil Neeva weggelaufen war.
Noahs Leben gegen eine Strumpfhose und ein bisschen Schminke.
»Der Tote«, sagte Munroe. »Was war sein Versagen?«
»Es war Ihr Versagen, Ihre Strafe, und somit sind auch die Konsequenzen ganz allein Ihre Sache. Man hat Ihnen eine Aufgabe übertragen, und Sie haben versagt, also muss es auch eine Strafe geben. Sie können Ihren Fehler wiedergutmachen und weiteres Leid verhindern.«
Sie redeten über völlig unterschiedliche Dinge. Während es ihr um den Wert menschlichen Lebens ging, ging es ihm um den Schaden an einem Kostüm. »Sie haben gesagt, dass Sie mir diese Aufgabe übertragen haben, weil ich Ihnen etwas schuldig bin. Sie haben sich Logan als Faustpfand geschnappt, und jetzt haben Sie einen Menschen ermordet, der nicht das Geringste mit alldem zu tun hat.«
»Das ist wirklich außerordentlich bedauerlich«, sagte er. »Sie müssen die Fahrt jetzt fortsetzen.«
Munroe holte einmal tief Luft, kämpfte gegen die Kriegstrommeln in ihrem Schädel an und sagte: »Wenn Sie mir keinen Beweis liefern können, dass Logan lebt, habe ich nichts mehr zu verlieren. Deshalb fahre ich nicht weiter. Nicht ohne einen Beweis, dass er lebt.«
»Es gibt noch andere«, sagte der Puppenmacher. »Andere Menschen, die Ihnen nahestehen. Es wäre daher klug, weiterzufahren und weiteres Versagen zu verhindern.«
Sie konnte das schmierige Grinsen in seiner Stimme hören, die Häme. Seine Drohung war ein weiterer schmerzhafter Schlag.
Rüttelte sie auf.
Dahinter steckte eine Strategie, abstrakt, ungreifbar.
Es gab noch andere Menschen, wie er gesagt hatte, und er würde sie benutzen, um sie so lange unter Druck zu setzen, bis sie das Ende ihres Weges erreicht hatte. Er würde nicht aufhören, bis er hatte, was er wollte, und wenn es so weit war, wenn er gewonnen hatte, dann war sie dem Tod geweiht, genau wie Logan, genau wie Neeva und wer weiß, wer sonst noch alles.
Die Stimmen wurden lauter, sangen, riefen nach ihr.
Denn dies ist ein Tag der Vergeltung, dass er sich an seinen Feinden räche.
Ganz egal, welche Züge sie in Gedanken durchspielte, am Ende stand immer der Tod. Wenn sie seinen Befehlen folgte, eine Schachfigur opferte, um eine andere zu verschonen, würde sie am Schluss alles verlieren. Er hatte alles unter Kontrolle. Der Wahnsinn ließ sich nur stoppen, wenn das Spiel auf
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