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Mission Munroe. Die Sekte

Mission Munroe. Die Sekte

Titel: Mission Munroe. Die Sekte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taylor Stevens
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würde. Daher wurden sämtliche Kontakte zu Leuten wie Logan, die die Gruppe irgendwann verlassen hatten, radikal gekappt. Die ehemaligen ERWÄHLTEN wurden dämonisiert und in einer Welt, die sie nicht verstehen konnten, ausgesetzt und sich selbst überlassen.
    Logans Geschichte handelte, wie die Geschichte vieler seiner Freunde, von Kindern im Schatten einer Gesellschaft, die von ihrer Existenz nichts ahnte. Sie handelte vom Verlust zahlreicher Kindheitsfreunde durch Drogenmissbrauch und Selbstmord. Sie handelte von Angststörungen und Panikattacken, von der Unkenntnis gesellschaftlicher Sitten und Gebräuche, vom Kampf gegen die Vorurteile und die sozialen Stigmata, die daraus folgten, und dann davon, wie er sich an jedem einzelnen Tag ein kleines Stückchen weiter selbst aus dem Sumpf gezogen hatte.
    In gewisser Weise war es immer ein und dieselbe Geschichte, egal wie unterschiedlich die einzelnen Versionen sich anhörten oder wie leicht und locker sie erzählt wurden. Und wenn niemand etwas unternahm, dann würde auch Hannah in zehn Jahren exakt dieselbe Geschichte erzählen – vorausgesetzt, sie war dann noch am Leben.
    Munroe gelangte zu einer Weggabelung, warf in Gedanken eine Münze und ließ die Laternen und den breiten Pfad hinter sich, tauchte stattdessen in die Dunkelheit und Abgeschiedenheit ein. Eine Brise fuhr durch die Baumspitzen, und der Vollmond wies ihr den Weg.
    Sie war ein Kind der Nacht. Nächtliche Spaziergänge waren ihr vertraut und hatten eine geradezu reinigende Wirkung – viel besser als irgendwo drinzusitzen, eingepfercht,
schlaflos und immer darauf bedacht, die Flut der Träume nicht ein Mal zu oft einzudämmen.
    Aber der Zweck dieses kleinen Streifzugs durch den Park war nicht, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen, die Einsamkeit zu suchen oder Abstand von Logan und seinen Freunden zu bekommen. Sie war heute Abend hierhergekommen, weil sie, genau wie am Vorabend, als sie das Hotel verlassen hatte, verfolgt wurde.
    Am liebsten hätte sie ihrem innersten Trieb nachgegeben und ein Spiel daraus gemacht, so lange wie möglich die Ahnungslose gespielt, einzig und allein deshalb, weil sie dazu im Stande war. Aber der heutige Abend war nicht zum Spielen geeignet. Sie musste Zusammenhänge herstellen, musste das ganze Bild erkennen.
    Endlich kam sie zu einer Bank, blieb stehen und wartete, lauschte in die Dunkelheit. Als sie keine Zweifel mehr hatte, dass er da war, setzte sie sich, und nach einem weiteren Augenblick sprach sie zu den Schatten.
    »Komm raus und setz dich zu mir. Ich habe keine Lust mehr, die Verfolgte zu spielen.«
    Sie hörte ihn, noch bevor seine Umrisse sich aus der Dunkelheit schälten. Gemächlich kam er auf sie zugeschlendert, mit breiten Schultern, die Hände entspannt in die Taschen seines leichten Jacketts gesteckt. Erst als er keinen halben Meter mehr von ihr entfernt war, blieb er stehen und blickte verlegen grinsend zu ihr hinab.
    Sie lächelte zurück, legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an. »Hallo, Miles.«
    Er nickte, erwiderte ihr Lächeln und blieb noch einen Augenblick lang mit verschränkten Armen stehen, bevor er sich zu ihr auf die Bank setzte.
    Stille.
    »Seit wann weißt du es?«, sagte er schließlich.
    »Ich hab dich am Flughafen gesehen«, erwiderte sie. Er schnaubte.
    Der Vollmond machte die Spuren der vergangenen Monate bei ihm sichtbar. Rund um die Augenwinkel waren ein paar Falten dazugekommen, und von seinem linken Ohr zog sich eine knapp zehn Zentimeter lange Narbe in Richtung Kinn. Sie legte ihm die Finger an die Wange, sehr behutsam, und drehte seinen Kopf ein wenig zur Seite, um besser sehen zu können.
    »Da hat mich ein Granatsplitter erwischt«, sagte er. »Jetzt habe ich also eine Narbe mehr. Dein Vorsprung schmilzt.« Nun entstand eine längere Pause, dann sagte Bradford: »Wieso hast du denn nichts gesagt? Dann hätte ich mir den ganzen Stress mit der Beschattung sparen können.«
    »Um die Illusion von Logans kleiner« – Munroe unterbrach sich kurz und zeichnete imaginäre Anführungszeichen in die Luft – »›Intervention‹ zu zerstören?«
    »Er macht sich Sorgen. Er sagt, dass du wieder Medikamente nimmst.«
    »Da hat er recht. Aber nicht aus dem Grund, den er vermutet.«
    »Muss ich mir vielleicht Sorgen machen?«
    Sie beugte sich nach vorne, die Ellbogen auf die Knie gestützt, den Blick in die Dunkelheit gerichtet. »Könnte schon sein.« In der anschließenden Stille rang sie um die richtigen Worte, um eine

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