Mission Munroe. Die Sekte
die Türklinke und hielt inne.
»Kommst du?«, fragte sie.
Als Bradford ihre Aufmachung sah, hob er eine Augenbraue, und sie grinste ihn an. Dann schloss sie für einen Moment die Augen und wechselte von einem Modus in den anderen. Als sie die Augen wieder aufschlug, war sie das Mädchen geworden, das gleich zur Tür hinausgehen würde.
Die vier, die über Nacht geblieben waren, hatten sich im Wohnzimmer zu Logan gesellt. Soweit Munroe es beurteilen konnte, drehte sich die lebhafte Unterhaltung um gemeinsame Frühstücke in früherer Zeit. Der Fernseher war aus, und obwohl Logan sich kaum am Gespräch beteiligte, gelang es ihm, sich den Stress der letzten Stunden nicht anmerken zu lassen.
Munroe betrat das Zimmer zusammen mit Bradford, und genau wie am Vortag geriet das Gespräch mit der Ankunft eines Fremden zunächst einmal ins Stocken. Nicht, weil die anderen eine einheitliche Front bilden wollten, sondern eher, weil sie befürchteten, dass ein Neuankömmling das Gehörte womöglich missverstehen könnte.
Mit schiefem Grinsen stellte Munroe Bradford vor. »Glücksritter«, sagte sie, »Söldner und gelegentlich mein persönlicher Leibwächter.«
Man schüttelte sich die Hände, tauschte Belanglosigkeiten aus und Gideon sagte zu ihr: »Nach allem, was Logan
so erzählt hat, brauchst du eigentlich gar keinen Leibwächter.«
Diese leicht dahingesagten Worte waren eine unterschwellige Herausforderung, aber Munroe, die keinen Anlass sah, sich zu verteidigen oder zu erklären, wandte sich wortlos ab. Sie griff zum Telefon, um beim Zimmerservice Frühstück für alle zu bestellen, da legte Gideon ihr die Hand auf die Schulter.
Er war fünfunddreißig Jahre alt und strahlte die Selbstsicherheit eines Mannes aus, der schon mehr als einen Gegner im direkten Kampf besiegt hatte und der nichts lieber tat, als darüber zu sprechen. Mit seinen eins dreiundneunzig und seinen annähernd hundertzehn Kilogramm war er fünfzehn Zentimeter größer und fünfundvierzig Kilogramm schwerer als Munroe, und er benahm sich wie jemand, der fest davon überzeugt war, dass Munroe – Ende zwanzig, leicht, schlank und unschuldig – problemlos in die Schranken zu weisen war.
Munroe erstarrte. Es wurde still im Raum. Die Welt verschwamm vor ihren Augen, alles wurde grau, und ihr Gehirn spielte in Windeseile eine ganze Reihe von Szenarien durch. In diesem Augenblick, als die Zeit stehen blieb, überkam sie ein unglaubliches Verlangen nach Erleichterung, nach der Linderung ihrer Schmerzen, nach dem Hochgefühl des Blutvergießens.
Logan hätte Gideon warnen sollen, er hätte es wissen müssen.
Sie hatte bereits mit größeren und stärkeren Männern gekämpft, ohne auch nur das Geringste befürchten zu müssen. Zuzuschlagen war ihr Instinkt, ihre zweite Natur. Sie bewegte sich vernichtend schnell, getrieben von einem verheerenden Wahnsinn, von einem Drang zu töten, der
ihr unbarmherzig, Schnitt für Schnitt, in die Seele geritzt worden war. Der nicht ehrfürchtiges Erstarren, sondern Totenstarre hervorrief.
Hoch aufgerichtet, immer noch mit dem Rücken zu Gideon, sagte sie mit leiser, monotoner Stimme: »Nimm deine Hand da weg.«
Fast wie mit dem Echolot rekonstruierte sie blitzschnell die Position jeder einzelnen Person im Zimmer und machte sich bereit. Bradford war aufgestanden, ohne sich jedoch von der Stelle zu rühren. Logan war sitzen geblieben. Sie würden es nicht wagen, sich zu bewegen, wollten auf keinen Fall eine gewaltsame Reaktion provozieren. Die anderen hatten sich nicht von der Stelle gerührt. Gideons Hand lag noch immer schwer auf ihrer Schulter.
Sie unterdrückte den Drang, sofort zuzuschlagen, und sagte, während sie ihm weiterhin den Rücken zukehrte: »Ich will dir nicht wehtun.«
Gideons Griff wurde fester. Er zog an ihr. »Ich rede mit dir«, sagte er.
Es wurde dunkel um sie herum. Alles verschwamm. Instinktives Handeln, ohne nachzudenken, und dann lag Gideon auf den Knien, beide Hände an den Hals gelegt, rang nach Luft, und sie stand über ihm, jederzeit bereit, noch einmal zuzuschlagen.
Munroes Blick schnellte zu Logan hinüber, aber statt des erwarteten tödlichen Schreckens lag ein spöttisches Grinsen auf seinem Gesicht.
Da wurde ihr klar, dass das alles Logans Werk war – Logan und seine bescheuerten Spielchen, nur um etwas zu beweisen, was nicht bewiesen werden musste. Sie stand aufrecht da, reichte Gideon die Hand, zog ihn auf die Füße und versetzte ihm einen sanften Klaps auf den
Weitere Kostenlose Bücher