Mission Munroe. Die Sekte
dann würde niemand hereinkommen und das bedeutete, dass wirklich alles möglich war.
Er bat sie, sich auf einen der Klappstühle zu setzen. Sie gehorchte, und er setzte sich ihr gegenüber. Er schwieg eine Minute lang, starrte sie nur an. Selbst wenn sie seinem Blick hätte standhalten wollen, sie konnte es beim besten Willen nicht. Sie zitterte, innerlich und äußerlich, und sie schaffte es nur unter größter Mühe, die Tränen zurückzuhalten, die sie jedes Mal überkamen, wenn sie Angst hatte.
»Der Herr hat mir gezeigt, dass du ungehorsam gewesen bist«, sagte er, »und das können wir einfach nicht zulassen. Damit würden wir dem Teufel eine Pforte öffnen.«
Elijah sagte nicht, was sie getan hatte. Das sagten sie nie,
und sie hatte Angst, danach zu fragen. Wenn sie etwas gestand, wovon er noch gar nichts wusste, würde sie es womöglich noch schlimmer machen.
Obwohl Hannah am heutigen Tag nicht wirklich ungehorsam gewesen war, war sie nicht in der Lage, ihm das zu erklären, und musste daher akzeptieren, was immer er ihr zugedacht hatte.
Es war so frustrierend, dass man niemals etwas erklären konnte, dass man die Strafe immer nur hinzunehmen hatte, dass man nie die geringste Chance bekam, etwas daran zu ändern.
Hannahs Augen brannten.
»Du stehst jetzt zwei Wochen lang unter Bewährung«, sagte Elijah. »Ich habe Morningstar gebeten, in dieser Zeit deine Wächterin zu sein. Du stehst ab sofort unter dem Schweigegebot, und zwar so lange, bis ich spüre, dass dein Herz wieder ganz dem Herrn gehört.«
Hannah nickte. Sosehr sie auch versuchte, die Tränen zurückzuhalten, sie schaffte es nicht mehr. Die Angst, der Ausflug in die Stadt und all das, was dabei geschehen war, Rachels Verrat, diese Strafe jetzt – das war einfach zu viel, folgte viel zu schnell aufeinander, ohne dass sie Zeit gehabt hätte, es zu verkraften, zu verarbeiten, zu verdrängen.
Aber es hatte auch sein Gutes. Zwei Wochen lang rund um die Uhr unter Morningstars Beobachtung zu stehen und mit niemandem reden zu dürfen war nicht annähernd so schlimm wie vor den Augen sämtlicher Mitglieder der Oase verprügelt zu werden, bis sie um Gnade bettelte.
Aber jetzt ließen die Tränen sich nicht mehr länger zurückhalten, und als sie einmal angefangen hatten zu fließen, wollten sie überhaupt nicht mehr aufhören. Ein paar waren
ja okay, zum Zeichen dafür, dass sie bereute, aber zu viele führten womöglich nur zu neuem Ärger. Trotzdem, sie konnte nichts dagegen machen. Von Weinkrämpfen geschüttelt saß sie da, bis Elijah ihr irgendwann die Hand reichte und sie auf seinen Schoß zog.
»Vielleicht war ich ja ein bisschen grob zu dir«, sagte er. »Der PROPHET sagt, dass Strafe ohne Liebe dem Gebot Gottes widerspricht. Es ist wichtig, dass du weißt, wie sehr der Herr dich liebt.«
Elijah schob seine Hände unter ihr Nachthemd und legte sie auf ihre nackten Beine. Seine Berührung war ihr unangenehm, und ihr wurde speiübel, noch schlimmer als vorhin, als sie mit ihm in sein Büro gegangen war.
Elijah sagte: »Vielleicht ist das ja das Problem … der Grund, weshalb du dich überhaupt zum Ungehorsam hast verleiten lassen, dass du nicht genug von der Liebe des Herrn empfangen hast, Süße.«
Hannah versuchte, nicht mehr zu weinen. Sie wusste, wohin das führen würde, und wollte weg. Aber solange die Tränen flossen, gab es dafür keinen Grund. Elijah hatte sie auf seinen Schoß gezogen, und sie durfte nicht einfach so aufstehen, ohne dass sie einen ganzen Schwung neuer Probleme bekommen hätte.
»Im Tadel zeigt der Herr dir seine Liebe, Süße. Manchmal muss Gott dir wehtun, damit du lernst, dich zu benehmen. Aber ja, vielleicht war ich zu grob, und du brauchst jetzt ein wenig Zärtlichkeit.«
Hannah wollte weg aus Elijahs Schoß. Auch wenn Jesus darüber wütend war, aber diese Art der Liebe wollte sie nicht. Sie kämpfte gegen die Tränen an, kämpfte und kämpfte, aber sie flossen immer weiter, und jetzt blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als sich an diesen anderen Ort
zu versetzen, ihre Gedanken in weite, weite Ferne zu schicken, sodass sie nicht mehr in diesem Zimmer und nicht mehr bei diesem Mann war, sondern weit weg von allem, was irgendwie mit den Segnungen der Liebe zu tun hatte.
Kapitel 8
John F. Kennedy International Airport, New York
Im Widerspruch zu ihren sämtlichen Arbeits- und Überlebensprinzipien bestieg Munroe das Flugzeug nach Buenos Aires in Begleitung dreier Personen. Sie hatte Logan und seine
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