Mission Munroe. Die Sekte
anderen Grund geben als den Besuch einer Schwester-Oase.
Das Grundstück war nach dem Vorbild einer Ranch bebaut, mit einem größeren zweigeschossigen Haus, einem kleineren eingeschossigen Anbau und einer Art Scheune oder einem großen Schuppen am hinteren Ende. Die Häuser standen weit entfernt von der Landstraße, mit der sie über einen Feldweg verbunden waren. Hier konnte man nicht anhalten ohne aufzufallen, daher fuhren sie zweimal an dem Grundstück vorbei, fotografierten, so gut es im Dämmerlicht eben möglich war, und fuhren dann weiter zur nächsten Station.
Der Minibus parkte in einer Vorstadtsiedlung, die etwas näher am Stadtzentrum lag. Hier waren die Häuser von hohen Mauern umgeben, und die Zufahrt war von einem
Wellblechtor versperrt. Zwischen den Häusern hatten sich Tante-Emma-Läden und kleinere Industriebetriebe angesiedelt. Bei der ersten Vorbeifahrt bestätigte sich das, was sie schon auf den Satellitenbildern gesehen hatten: ein dreigeschossiges Haus mit einem Anbau am hinteren Teil, der wohl ursprünglich als eine Art Dienstbotenunterkunft gedacht gewesen war. Dahinter hatte sogar noch ein großzügiger Garten Platz.
Am anderen Ende der Straße verließen Munroe und Bradford das Taxi und mischten sich unter die Fußgänger. Im Gegensatz zu dem ersten Grundstück, das sehr unzugänglich gewesen war, hoffte Munroe, dass sie hier etwas zu sehen bekam, Hunde vielleicht oder Wachmänner, und womöglich auch einen Eindruck davon, an welcher Stelle die Mauer am besten zu überwinden war.
Arm in Arm schlenderten Munroe und Bradford einmal rund um den gesamten Block. Dann hatte sie alles gesehen, was sie sehen wollte.
»Wie viele Schlafzimmer?«, fragte sie Bradford.
Er warf einen Blick zurück über die Schulter, dann schaute er wieder auf den Bürgersteig. »Keine Ahnung«, sagte er. »Fünf oder sechs vielleicht.«
Munroe nickte. »Das hätte ich auch geschätzt. Und ich gehe davon aus, dass da drin mindestens fünfundvierzig Personen leben.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte er. »Nur so ein Gefühl?«
»Hauptsächlich durch die Unterlagen, die ich gelesen habe. Und durch das, was Logan mir im Lauf der Jahre alles erzählt hat.
Mindestens zwei Drittel davon sind jedenfalls Kinder«, fügte sie hinzu.
Bradford schwieg, und Munroe wusste, dass er rechnete. Schließlich nickte er in Richtung des Hauses. »Dann wohnen da also dreißig Kinder?«, sagte er.
»Mindestens. Eher mehr.«
Er wartete noch einen Augenblick, dann meinte er trocken: »Da kommt eine ganze Menge Schmutzwäsche zusammen.«
Um ein Uhr morgens fing das Leben im Herzen von Buenos Aires erst richtig an. Für die Nachtschwärmer war vor Mitternacht eigentlich fast gar nichts los, und dann dauerte es bis drei oder vier, bis es langsam wieder ein bisschen ruhiger wurde. Aber in der Vorstadt war es anders. Dort war es, abgesehen von der einen oder anderen nächtlichen Plauderei, weitgehend ruhig auf den Straßen. Nur manchmal fuhr ein Auto vorbei, wurde die Stille durch Hundegebell oder das Geschrei einer rolligen Katze zerrissen.
Munroe lehnte mit dem Rücken an der Mauer, hatte einen Fuß locker dagegengestützt, beobachtete die Straße, wartete auf den geeigneten Augenblick. Sie hatte sich dem Grundstück von hinten genähert, über die Seitenstraße, in der Raúl sie abgesetzt hatte. Kaum war er wieder verschwunden, hatte sie ihr oberes T-Shirt ausgezogen, es zusammengerollt und in eine Seitentasche ihrer Weste gesteckt. Dann hatte sie die Sturmhaube über den Kopf gestreift und war, vollkommen schwarz gekleidet, dem Ruf der Dunkelheit gefolgt, von Schatten zu Schatten gehuscht, ein Phantom in der Nacht, bis sie den entlegensten Abschnitt der Grundstücksmauer rund um die Oase erreicht hatte.
Munroe warf einen ausklappbaren Enterhaken über die Mauer und zog sich hinauf. Das Grundstück war recht gut
beleuchtet, und Munroe wusste vom ersten Besuch, dass dort mehrere Hunde frei herumliefen, auch wenn sie im Moment nicht zu sehen waren.
Sie legte sich flach auf die Mauerkrone, das linke Bein zur Seite gestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. Dann zog sie aus einer ihrer Westentaschen eine Plastiktüte mit Fleisch und blies in eine Hundepfeife. Sie setzte in diesem Fall auf die altbewährte Methode, ließ etliche mit Schlafmittel gewürzte Fleischbrocken in den Garten fallen und holte, während die Hunde sich selbst betäubten, diverse Hilfsmittel aus ihren Taschen.
Als Erstes baute sie eine Überwachungskamera
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