Mission Munroe. Die Sekte
ohne ihn, trotz all seiner Proteste.
Eine halbe Stunde später war Munroe immer noch nicht wieder zurück, und Bradford fing an, unruhig im Zimmer auf und ab zu gehen. Nach vierzig Minuten lehnte er mit der Stirn an der Wand und konnte sich nur mühsam davon abhalten, einfach zuzuschlagen und entweder der Wand oder seinen Händen ernsthaften Schaden zuzufügen. Nach fünfzig Minuten versuchte er, sie über Funk zu erreichen,
und als das nicht klappte, rief er die Nummer ihres Notfallhandys an, bekam aber nur die Mailbox.
Seine Bewegungen wurden fahrig und nervös, seine Gedanken immer irrationaler. Zu wenig Zeit, zu hohes Risiko. Er verfluchte sich selbst dafür, dass er nicht mitgegangen war.
Sein Handy piepste, und er stürzte sich mit einem Sprung darauf.
Raúl sagte: »Mister, die Frau, sie nicht kommen.«
In Bradfords Kopf stimmte die Angst immer und immer wieder das gleiche Lied an: zu wenig Zeit, zu hohes Risiko, zu wenig Zeit, zu hohes Risiko.
Er blieb vor dem Computer sitzen, ratlos, resigniert, wusste nicht, was er tun sollte. Verfolgen konnte er sie nicht, da sie die Peilsender an den Fahrzeugen in der Oase angebracht hatte. Daher blieb ihm im Moment nichts anderes übrig, als es immer wieder auf ihrem Handy zu versuchen. Er holte sich blutige Knöchel an der Wand neben dem Schreibtisch und hatte nur den einen Wunsch: dass sie ihr Handy wieder einschaltete.
Munroe wartete auf das Startsignal, dann sprang sie von der Grundstücksmauer in den Schatten auf dem Bürgersteig. Sie schlich zur Rückseite des Grundstücks mit der schmalen Seitenstraße, um von dort auf die breitere Hauptstraße zu gelangen und auf Raúl zu warten.
Das Wohnviertel lag nicht weit von der belebtesten Gegend von Palermo entfernt. Gedämpftes Gelächter und Musik, dazu der Duft nach Grillfleisch und Zigaretten drangen von drinnen nach draußen in die kalte Nacht und schwebten durch die sauberen, schmalen Sträßchen.
Munroe sog die Nachtluft tief in die Lungen. Sie empfand
eine tiefe Zufriedenheit. Alles war glattgegangen und sie war ihrem Ziel, Hannah zu ihren Eltern zu holen, einen Schritt näher gekommen. Zügig näherte sie sich dem vereinbarten Treffpunkt, dachte an Bradford, den alten Schwarzseher, als ihr eine Bewegung in einer Seitenstraße auffiel.
Die Straße bot einen langweiligen und eintönigen Anblick, nur eine Stelle durchbrach das Muster. Dieser Stelle galt nun ihre gesamte Aufmerksamkeit. Am Straßenrand stand ein Mercedes mit zwei weit geöffneten Türen und laufendem Motor. Neben dem Wagen standen zwei Männer. Aus ihrer Haltung ging deutlich hervor, dass der eine der Besitzer des Wagens und der andere der Besitzer des Hauses auf der rechten Seite war. Zwischen den Männern, in einer unbehaglichen Position, wie eine Handelsware, die gerade den Besitzer wechselte, befand sich ein etwa neun oder zehn Jahre altes Kind.
Der Hausbesitzer zog das Kind näher zu sich heran, machte ihm den Mantel auf und überreichte dem Mann neben dem Auto, allem Anschein nach zufrieden, ein Bündel Geldscheine.
Munroe blieb stehen.
Der Mann neben dem Auto schloss die hintere Tür.
Das Pflichtbewusstsein gegenüber Logan und Hannah meldete sich zu Wort und wehrte sich lautstark gegen jede Ablenkung. Sie ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken, trat einen Schritt zurück und wandte sich, stets im Schatten, in Richtung der Männer.
Wie an jenem Abend in New York, wie an vielen Abenden, an denen sie getötet hatte, so war sie auch dieses Mal nicht überrascht, dass das Böse sie wieder einmal in seinen Bann geschlagen hatte. Sie spürte nur, wie eine unglaubliche
Wut in ihr aufwallte, ein ungebremster Zorn im Angesicht der Schändung eines unschuldigen Wesens, ein Blutrausch, so laut, dass er das Gelächter und die Musik übertönte.
Die Hintergrundgeräusche des Abends verblassten, wurden ersetzt durch die Trommelschläge aus ihrem Inneren, jeder einzelne ein Befehl zu töten, ein Feuer, das nur besänftigt werden konnte, wenn Blut vergossen und Gerechtigkeit geschehen war.
Die Zeit verging langsamer. Schritt für Schritt analysierte sie, Stück für Stück entstand eine Strategie, Zug um Zug, wie auf dem Schachbrett. Sie hatte keine Angst vor ihren Waffen, obwohl sie mit Sicherheit bewaffnet waren. Sie hatte auch keine Angst vor dem Tod oder dem Schmerz. Ihre einzige Angst war die Angst zu versagen, die Angst, einen dieser Männer am Leben zu lassen, obwohl sie den Tod verdient hatten.
Schnelligkeit.
Sie musste
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