Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
nun an mussten sie improvisieren. Emily war vor vier Jahren verschwunden, jetzt hatten sie sie aufgespürt, und es gab keinerlei Gewissheiten mehr – bis auf die Tatsache, dass Munroe zweimal einer versuchten Hinrichtung durch das Militär entkommen war.
Munroe wurde schwindelig. Nach allem, was sie bis hierhin erlebt hatten, waren sie jetzt beunruhigend mühelos an ihr Ziel gelangt.
Emily hob den Kopf, schniefte und stieß zwischen Weinen und Lachen hervor: »Kommt rein, setzen wir uns.« Ihre Worte klangen angestrengt, als hätte sie in der ganzen Zeit, in der sie verschollen gewesen war, kein Englisch gesprochen. Und zu der Frau gewandt, die die Tür geöffnet und sich inzwischen in den Hintergrund zurückgezogen hatte, sagte sie: »Nza ve belleng café.«
Lächelnd registrierte Munroe die Fang-Sprache und drehte sich so, dass die Kamera an ihrem Revers Emily voll erfasste. Das war die eindeutigste und zugleich unaufdringlichste Möglichkeit, um das Folgende zu dokumentieren. Es würde von zwei Geräten aufgezeichnet werden: Das eine steckte in ihrer Brusttasche, das andere war draußen bei Beyard und empfing das Signal per Funk.
Emily führte sie ins Wohnzimmer und nahm Platz auf einem übergroßen Sofa. Bradford setzte sich neben sie, und sie schaute ihn immer wieder an, wobei sich jedes Mal ein Lächeln über die tiefen Kummerfalten auf ihrem Gesicht legte. Aus diesem Lächeln sprachen Unschuld, Schock, Nervosität, Verwirrung, aber in erster Linie ein aufrichtiges Glücksgefühl. Was immer Beyard befürchtet haben mochte, diese junge Frau wollte gefunden werden, daran konnte es keinen Zweifel geben. Was automatisch zu der Frage führte, warum sie während der vergangenen vier Jahre kein einziges Mal zu ihrer Familie Kontakt aufgenommen hatte.
Emily blickte Munroe unsicher an. Bradford sagte: »Emily, das ist Michael.« Munroe streckte die Hand aus, und Emily schüttelte sie lächelnd. »Deine Familie ist seit vier Jahren auf der Suche nach dir«, sagte Bradford, »und Michael hat es jetzt endlich geschafft, dich aufzuspüren.«
Emily zog ihre Hand zurück und neigte den Kopf zur Seite. Ihr Lächeln erlosch, und sie kniff die Augen zusammen, als wollte sie versuchen zu verstehen, was sie gerade gehört hatte. Dann wandte sie sich an Bradford: »Was?«
Munroe sagte: »Emily, wir sind gekommen, um Ihnen zu helfen, falls Sie das möchten. Wir können Sie außer Landes schaffen. Wären Sie daran denn überhaupt interessiert?«
Emily nickte langsam. »Ja, schon«, sagte sie, »aber ich verstehe das nicht. Warum erst jetzt? Ich habe doch schon so oft darum gebeten.«
Bradford schaute Munroe an, und der Blick, den sie ihm zurückgab, ließ nur eine einzige Interpretation zu: Entweder hatte Emily den Verstand verloren, oder sie hatten ein ganz gewaltiges, beschissenes Problem am Hals. Vermutlich das Letztere. Munroes Herz hämmerte, und ihr Geist verwob diverse Gedankenfäden zu einem unvollständigen Bild, dann hielt sie inne und kannte die Antwort auf die nächste Frage schon, bevor sie sie gestellt hatte. »Emily, wen haben Sie darum gebeten?«
Emily setzte zu einer Antwort an, unterbrach sich jedoch, als das Hausmädchen mit einem Tablett voller Kaffeetassen ins Zimmer kam. Sie stellte es auf den Couchtisch, und Emily faltete die Hände im Schoß und wartete. Die Sekunden verstrichen, jede einzelne ein schmerzhafter Atemzug, so lange, bis die Frau wieder draußen war.
»Ich traue ihr nicht«, sagte Emily. »Ich glaube, sie spricht kein Englisch, aber sicher bin ich mir nicht. Sie ist die Tante meines Mannes und erzählt ihm jeden Handgriff, den ich mache.«
Munroe kniete sich vor Emily nieder, sodass sie ihr direkt in die Augen sehen konnte. »Wir sind gekommen, um Sie hier wegzuholen, um Sie nach Hause zu bringen, falls Sie das wirklich wollen. Ist es das, was Sie wollen?«
Emily nickte.
»Dann passen Sie jetzt gut auf«, sagte Munroe. »Ich bin schon zweimal beinahe umgebracht worden, weil ich nach Ihnen gesucht habe, und es kann gut sein, dass die, die dahinterstecken, es noch einmal versuchen, wenn sie erfahren, dass wir hier sind. Unsere Informationen stehen im krassen Widerspruch zu dem, was Sie sagen, und wenn wir nicht schnell die Wahrheit erfahren, kommen wir womöglich nicht lebend über die Grenze. Das würde bedeuten, dass Sie, falls Sie nicht mit uns zusammen umgebracht werden, für immer hier festsitzen. Emily, wir müssen wissen, wen Sie gebeten haben, Sie nach Hause zurückzuholen,
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