Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
Munroe.
»Das ist ein Bild von ihrer Highschool-Abschlussfeier«, sagte er.
Munroe nickte. Wie auf den Fotos in ihrer Akte war Emily auch hier ein zierliches Mädchen mit glatten, langen blonden Haaren und braunen Augen, die durch die langen, dunklen Wimpern eine besonders intensive Wirkung bekamen.
»Als Emily sich zu dieser Reise nach Südafrika entschlossen hat, war ich dagegen. Ich hatte das Gefühl, dass sie als Alleinreisende nicht sicher wäre. Aber sie hat immer wieder darauf beharrt, dass sie nicht alleine reist, und in gewisser Weise hatte sie auch recht … Es war ja eine Gruppenexpedition. Aber ich nehme an, Sie wissen, was ich meine. Trotzdem, sie war achtzehn und damit alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen. Ich war zwar der Meinung, dass es in diesem Fall die falsche Entscheidung war, aber ihre Mutter fand, dass dieses Abenteuer Emily die Möglichkeit gab, ein bisschen mehr zu sich selbst zu finden, und letztendlich hatte ich dabei sowieso nicht das letzte Wort.
Emily ist eine zierliche Person mit einer sanften Stimme, aber sie besitzt einen starken Willen. Wenn sie etwas wollte, dann hat sie immer einen Weg gefunden, um es auch zu bekommen, und das war in diesem Fall nicht anders.
Sie haben ja bestimmt gelesen, dass Emily kurz vor ihrer Weiterreise nach Europa verschwunden ist. Seitdem sind vier Jahre vergangen, Michael.« Burbanks Stimme brach. Er machte eine Pause und atmete ein paarmal tief durch. Nach einem längeren Schweigen setzte er erneut an. »Mittlerweile habe ich ein kleines Vermögen für Privatdetektive und Sicherheitsexperten ausgegeben. Ich habe mit irgendwelchen Regierungsbehörden gestritten, die von nichts eine Ahnung haben, und habe einen Alptraum nach dem anderen erlebt.« Er hielt erneut inne, atmete tief durch. »Ganz ehrlich«, sagte er dann. »Ich habe wenig Hoffnung, dass sie nach so langer Zeit noch am Leben ist. Aber ich möchte verstehen, was passiert ist, ich möchte wissen, ob ich irgendetwas, was schiefgelaufen ist, wieder gerade rücken kann, ob ich etwas gutmachen kann, für sie.« Ein Gefühl der Schwere verbreitete sich im Raum. »Ich muss sie finden, Michael.«
Munroe wartete und sagte dann: »Es tut mir leid, dass Sie das alles durchmachen mussten.« Sie sprach langsam, im selben Rhythmus wie Burbank, und wählte Worte, die Mitgefühl signalisieren, aber nicht zusätzliches Leid verursachen sollten. »Ich kann verstehen, dass es sehr schmerzhaft sein muss, einen geliebten Menschen zu verlieren und überhaupt nicht zu begreifen, wieso und weshalb. Aber was ich nicht verstehe, ist, warum Sie ausgerechnet mich engagieren wollen. So etwas mache ich normalerweise nicht. Ich reise nicht um die halbe Welt und suche nach Vermissten, und ich glaube auch nicht, dass ich Ihnen helfen kann.«
»Nein, Sie suchen nicht nach Vermissten.« Burbank seufzte. »Aber Sie haben die Fähigkeit, in jede Kultur, mit der Sie in Kontakt kommen, einzutauchen und zu überleben. Und darüber hinaus wissen Sie ganz genau, wem Sie welche Fragen zu stellen haben, um die Antworten zu bekommen, die Sie brauchen.« Er zog eine Aktenmappe aus seiner Schreibtischschublade und schob sie ihr zu.
Sie war fast zweieinhalb Zentimeter dick, ein konzentriertes Kompendium der letzten neun Jahre ihres Lebens. Sie blätterte es mit desinteressierter Miene durch. Zuerst kamen die Berichte, dann die Fotos: von ihrer Familie, von ihr auf jeder ihrer drei Ducatis, von Logans Werkstatt, von Logan und seinem damaligen Freund und dann noch ein paar Bilder aus der College-Zeit, von denen sie wünschte, sie wären niemals gemacht worden. Als sie auf eine hoch auflösende Vergrößerung stieß, stutzte sie. Es handelte sich um ein Standbild aus einem Internet-Film von einem der vielen Base-Jumps, die sie am Kjerag in Norwegen unternommen hatte. Der Drecksack hatte wirklich ausgesprochen gründlich recherchiert. Krankenakten, Schulzeugnisse und eine komplette Liste ihrer Strafzettel, alle wegen Geschwindigkeitsüberschreitung. Außerdem enthielt die Akte Berichte von Gesprächen mit Menschen, die sie kurz nach ihrer Ankunft in den Vereinigten Staaten kennengelernt hatten und die etliche persönliche Einzelheiten preisgaben. Aber abgesehen von der einen oder anderen Anmerkung zu ihrer Kindheit enthielt diese Akte nichts über die Zeit vor den USA. Genauso sollte es sein.
Munroe warf den Ordner auf den Schreibtisch zurück. »Ich gebe Ihnen eine Zwei plus dafür«, sagte sie mit einem Gähnen. »Ich hoffe,
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