Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
einem offiziellen, lilafarbenen Stempel, der bestätigte, dass beide Reisende gesund und ausreichend geimpft waren. Die Euro-Scheine waren verschwunden. »Gehen Sie zur Passkontrolle«, sagte die Frau.
Munroe ging langsam, holte tief Luft, sog den Geruch nach Schimmel und Verwesung ein und lächelte. Jahrelanger Regen und ständige Feuchtigkeit hatten dieses Aroma geschaffen, das jede Wand und jeden Anstrich durchdrungen hatte und genauso sehr Teil des Gebäudes geworden war wie die Stahlträger, die es am Einsturz hinderten, und die Körper der Zollbeamten, die den beißenden Geruch nach altem Schweiß und ungewaschener, Tag für Tag getragener Kleidung verströmten.
Es kostete Munroe noch einmal zwanzig Euro, um mit ihrer abgelaufenen Aufenthaltsgenehmigung durch die Passkontrolle zu kommen. Der Zöllner durchwühlte ihr gesamtes Gepäck. Nachdem er nichts Wertvolles, keine Schmuggelware und auch sonst nichts gefunden hatte, womit er sich seinen abendlichen Drink finanzieren könnte, stopfte er alles wieder zurück in ihre Taschen und ließ sie passieren.
Vor dem Terminal, im trüben Licht der Neonlampen, zwischen schreienden Taxifahrern und rempelnden Gepäckträgern, regierte das Chaos.
Ihr Hotel war das Parfait Garden, ein älteres, mehrstöckiges Gebäude direkt am Boulevard de la Liberté. Es bot zwar weniger Annehmlichkeiten als die neueren und mit mehr Sternen geschmückten Häuser der Stadt, aber es hatte sich eine gewisse Würde bewahrt, und Munroe hatte es aus Sentimentalität ausgesucht. Nicht einmal einen Kilometer entfernt lag der Kreisverkehr, an dem die Straße nach Buea begann. Sie stieg aus dem Taxi und warf dabei einen Blick in die Richtung, in der früher einmal ihr Zuhause gewesen war.
»Zuhause«. Was immer das zu bedeuten hatte.
So nah und doch so fern. Dort war absolut nichts, und es gab keinen Grund, dahin zurückzukehren. Ihre Mutter war mittlerweile in die Staaten zurückgekehrt, und ihr Vater hatte eine Kamerunerin geheiratet und war in den Nordwesten gezogen, nach Garoua. Seitdem sie Afrika den Rücken gekehrt hatte, hatte sie weder sie noch ihn wiedergesehen oder gesprochen. Wenn der Auftrag erledigt war, vielleicht würde sie dann in die Wüsten des Nordens reisen und nach dem Mann suchen, der dreizehn Jahre lang ihr Vater gewesen war.
Das Personal am Empfang war freundlich und höflich, und das, obwohl Bradford beide Zimmer vor dem Einchecken erst noch besichtigen wollte. Noch schlimmer: Er bestand darauf, dass Munroe ihn dabei begleitete – die erste von zweifelsohne vielen Unannehmlichkeiten, die die Anwesenheit eines Babysitters-Schrägstrich-Leibwächters mit sich bringen würde. Sie ließen den einzigen Fahrstuhl des Hotels links liegen und nahmen die breite, mit Teppich belegte Treppe, die sich in der Mitte des Gebäudes nach oben wand. Der Mief des Altehrwürdigen hing in der Luft.
Die beiden nebeneinanderliegenden Zimmer im dritten Stock, gleich neben dem Treppenhaus, fanden Bradfords Zustimmung. Kaum hatte er sie alleine gelassen, stellte Munroe ihre Reisetasche und den Rucksack ans Fußende des Bettes, schaltete die Klimaanlage aus und öffnete die Fenster. Feuchte Wärme drang ins Zimmer. Schon unter normalen Bedingungen würde es mindestens eine Woche dauern, bis sie sich voll und ganz akklimatisiert hatte, doch die Klimaanlage würde diesen Prozess zusätzlich verlangsamen. Bevor ihr Körper aber nicht an die äußeren Bedingungen angepasst war, raubte das feuchtwarme Klima ihr jegliche Kraft, machte sie träge und schlapp, darum wollte sie es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Dann holte sie eine Rolle mit doppelseitigem Klebeband aus dem Rucksack und befestigte die lichtdurchlässigen Gardinen vor dem Fenster. Es war zwar nur ein Notbehelf, aber so würde es gehen, bis sie sich richtige Moskitonetze besorgt hatte.
Sie legte sich auf das Bett, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und starrte an die Decke. Was immer sie im Vorfeld ihrer Rückkehr erwartet haben mochte, mit dieser Zufriedenheit hatte sie nicht gerechnet. Noch fünf Wochen bis Weihnachten, und es war mindestens ein Jahrzehnt her, dass sie über die Feiertage der Heimat so nahe gewesen war.
Munroe war mit der Sonne aufgestanden. Seit über einer Stunde wollten der lebhafte Verkehr und die geschäftigen Bürgersteige vor dem offenen Fenster sie nach draußen locken. Doch sie hatte Bradford versprochen, dass sie wenigstens dieses eine Mal auf ihn warten wollte, bevor sie das Zimmer
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