Mission Munroe - Die Touristin: Thriller (German Edition)
gehört hast. Alle Details – Michaels Verschwinden, die Begegnungen mit Regierungsvertretern, die Sterbeurkunde, alles, was du mir erzählt hast, und auch alles andere, woran du dich erinnern kannst. Betrachte es als eine Art Abschiedsgeschenk für den Fall, dass du nicht wiederkommst.«
Bradford nickte, und Burbank griff zum Telefon. Nach einem kurzen Gespräch mit seinem Rechtsanwalt legte er wieder auf. »Er hat jetzt Zeit. Du kannst also gleich bei ihm vorbeischauen.« Und dann, nach einer kurzen Pause: »Und, was hast du als Nächstes vor?«
»Ich suche Michael.«
»Du bist dir also ganz sicher, dass sie noch am Leben ist?«
»So sicher, dass ich darauf wetten würde«, erwiderte Bradford.
»Und du kannst sie auch finden?«
Bradford lächelte leise. »Auf jeden Fall. Das kann ich.«
Kapitel 12
3,10° nördliche Breite, 9,00° östliche Länge
Vor der Westküste von Kamerun
Francisco Beyard starrte zum Cockpit hinaus über das Vordeck des Kutters. Mit verschränkten Armen stand er da, regungslos, abgesehen von seinen Augen, die unentwegt das stählerne Grau des Ozeans absuchten. Er beugte sich über die Steuerkonsole, gab ein paar Koordinaten in das Navigationssystem des Schiffes ein und spürte die Vibrationen der Kurskorrektur bis tief in seine Seele.
Neun Jahre, und jetzt war sie genauso plötzlich in sein Leben zurückgekehrt, wie sie es verlassen hatte.
Neun gottverdammte Jahre, seitdem er ihrer Spur bis zu den trüben Wassern des Hafens von Douala gefolgt war.
Es war ohne jede Vorwarnung geschehen, ohne Andeutung. Im einen Augenblick noch da. Im nächsten schon weg. Kein »Auf Wiedersehen«, kein »Danke für die schöne Zeit«, kein »Ihr und euer ganzes widerliches Dasein, ihr könnt mich alle mal«. Einfach verschwunden, während er Höllenqualen durchlitten und im Verlauf zweier Monate, geprägt von andauernder Übelkeit und Schlaflosigkeit, versucht hatte, die einzelnen Puzzleteilchen zusammenzufügen. Tage am Rande des Wahnsinns auf der Jagd nach einer nicht existenten Spur. Schließlich das Ende der Sackgasse mit dem Frachter und dem wettergegerbten Deckhelfer, der allerhand Geschichten von diesem Jungen, Michael, erzählt hatte, von Messerstechereien und unglaublichen sprachlichen Fähigkeiten … von diesem Jungen, der niemand anders als Essa gewesen sein konnte.
Hilflos und wie versteinert hatte er dagestanden und zugesehen, wie die Santo Domingo in der Ferne verschwand, wie die letzte Verbindung zu ihr abriss. Genau dort, als der Wind ihm Valencia, Spanien, ins Ohr flüsterte, endete die Spur, ohne jede Möglichkeit sie weiter zu verfolgen.
Er war auf den Docks hin und her gelaufen, hatte sich immer wieder gesagt, dass es ihm egal war, hatte sich daran erinnert, dass es ihm doch bestens gegangen war, bevor sie in sein Leben getreten war.
Das war die Wahrheit, aber gleichzeitig auch eine große Lüge.
Er war Kameruner in der fünften Generation, ein weißer Afrikaner ohne zweiten Pass, ohne zweite Nationalität und ohne ein Land des Weißen Mannes, in das er in schlechten Zeiten zurückkehren konnte. Das hier war seine Heimat, sein Land, aber seit seinem dreizehnten Lebensjahr kannte er nur ein Ziel: es zu verlassen. Ein Vermögen anzuhäufen, mit dem er sich ein schönes Leben jenseits von Afrika aufbauen konnte, irgendwo in der Welt, an einem Ort, wo harte Arbeit anerkannt wurde und nicht von den Günstlingen oder den Familienangehörigen einer Machtclique in irgendeiner Scheindemokratie mit einem einzigen Federstrich zunichtegemacht werden konnte.
Vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs waren die Urgroßeltern und Großeltern seines Vaters nach Afrika gekommen und hatten sich hier eine Existenz aufgebaut. Doch dann hatte es nur einen einzigen Augenblick gebraucht, um den Zorn der örtlichen Amtsträger zu entfachen, und alles war zerstört worden. Vernichtet. Vorbei. Die harte Arbeit mehrerer Generationen mehr oder weniger über Nacht ausgelöscht, weil seine Vorfahren sich den falschen Kontinent ausgesucht hatten. Sie hätten sich lieber für die Neue Welt entscheiden sollen, wo der, der bereit war, den Kampf mit der Wildnis aufzunehmen, auch behalten konnte, was er der Natur abgerungen hatte.
Den Vorfahren seiner Mutter war es in Äquatorialguinea nicht viel besser ergangen. Ihre Urahnen waren gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf die Insel Bioko gekommen und hatten dort Kakaoplantagen angelegt. Sechs Monate nach der Unabhängigkeit hatte das Blutvergießen begonnen. Die
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