Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
während sie nach Worten suchte.
Drake antwortete nicht. Er reagierte weder mit einem erneuten Wutanfall, noch überhäufte er sie mit Beleidigungen oder warf ihr hasserfüllte Vorwürfe an den Kopf. Er grübelte einfach nur stumm vor sich hin, während er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
Sein Schweigen ermunterte sie weiterzusprechen.
»Es tut mir leid, dass Sie in diese Angelegenheit hineingezogen wurden, Drake. Sie haben das nicht verdient, ebenso wenig wie Ihre Schwester. Und es tut mir auch leid, was da an der Tankstelle passiert ist. Ich habe meine Beherrschung verloren. Es war … unprofessionell. So etwas wird mir nicht wieder passieren.«
Sie beobachtete ihn aufmerksam, beobachtete jede Regung in seinem Gesicht, die Haltung seiner Schultern, wie er das Lenkrad umklammerte, den Ausdruck in seinem Blick.
Einen Moment lang wusste sie wirklich nicht, wie er ihre Entschuldigung aufgenommen hatte. Seine Miene veränderte sich nicht, und sie fragte sich, ob sie ihn einfach nicht mehr interessierte.
Irgendwie ging es ihr jetzt noch schlechter.
»So etwas ist leicht dahingesagt, Anya.«
»Ich mache keine Versprechungen, wenn ich nicht vorhabe, sie zu halten.«
Jetzt endlich sah er sie an.
»Habe ich Ihr Wort?«, fragte er und starrte sie ebenso eindringlich an, wie sie ihn eben beobachtet hatte.
»Das haben Sie.«
Er sagte nichts, als kämpfte er mit sich, wie er reagieren sollte. »Diese ganze Sache wird nur funktionieren, wenn wir uns aufeinander verlassen können.«
»Dem stimme ich zu.«
»Ich kann Ihnen nicht vertrauen«, sagte er.
Sie seufzte und sah aus dem Fenster, auf die grüne Landschaft, die an ihnen vorbeiglitt. »Das kann ich Ihnen nicht verdenken. Aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dass ich weglaufen könnte. Munro wird mich finden, ganz gleich, wohin ich gehe, also habe ich kaum eine andere Wahl, als diese Sache durchzuziehen.«
Drake betrachtete sie noch einen Augenblick, bevor er wieder auf die Straße sah. »Wenn Sie versuchen, mich zu verarschen, erschieße ich Sie höchstpersönlich.«
Sie konnte nur mit Mühe ein Lächeln unterdrücken. Er hatte ihr vergeben. Trotz seiner Drohung sah sie, dass seine Schultern nicht mehr ganz so angespannt waren. Und auch der Ausdruck in seinen strahlend grünen Augen war etwas weicher geworden.
»Na ja, Sie könnten es immerhin versuchen.« Das war der erste Wortwechsel seit Langem, der einem spielerischen Geplänkel entfernt nahekam.
Er warf ihr einen kurzen Seitenblick zu, bevor er ihren linken Arm betrachtete. »Sie sind verletzt.«
Sie runzelte die Stirn und folgte seinem Blick. Sie sah einen geraden Schnitt im Leder ihres Jackenärmels, den sie bislang nicht einmal bemerkt hatte. Sie zog die Jacke aus und untersuchte ihren Arm.
Das Teppichmesser hatte das Leder durchtrennt und ihre Haut geritzt. Es war eine lange, gerade, aber nur oberflächliche Schnittwunde auf ihrem Oberarm. Sie schmerzte fast gar nicht, so wie auch kleinere Schnitte von einem Rasiermesser häufig unbemerkt bleiben, aber die Wunde war eine ernüchternde Ermahnung, dass sie an einer ernsthaften Verletzung nur knapp vorbeigeschrammt war.
Die Klinge hätte auch Muskelgewebe durchtrennen oder Sehnen und Nerven verletzen und ihren Arm außer Gefecht setzen können. Und es war schließlich nicht so, dass sie einfach zum nächsten Krankenhaus hätten fahren können.
Sie sagte nichts, sondern nahm den Erste-Hilfe-Kasten vom Rücksitz.
Vor zehn Jahren wäre diese Klinge nicht einmal in ihre Nähe gekommen. Sie war langsam und nachlässig geworden, leichtsinnig. Die Zeit im Gefängnis hatte ihre Reflexe gelähmt und ihre Fähigkeiten beeinträchtigt.
Vielleicht ist es sogar mehr als das, dachte sie. Vielleicht wirst du einfach alt. Dieser Gedanke war noch furchteinflößender als irgendeine Verletzung.
»Sie sind also doch nur ein Mensch«, bemerkte Drake.
Es war nur gut, dass er sich auf die Straße konzentrierte und den Blick nicht bemerkte, den sie ihm zuwarf.
39
Dietrich umklammerte den Rand des Waschbeckens und verzog das Gesicht, als sich sein Magen erneut schmerzhaft verkrampfte und er sich in das Becken erbrach. Er konnte nichts tun, als es hinzunehmen und abzuwarten, bis die Krämpfe vorüber waren.
Als die Übelkeit schließlich nachließ, keuchte er angestrengt. Ein dünner Schleimfaden hing von seinem Mundwinkel herab. Er drehte den Wasserhahn auf und versuchte, sich so gut wie möglich zu säubern, spritzte sich mehrmals kaltes
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