Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
zurückzuziehen. Stattdessen schob sie sie tiefer hinein, fühlte etwas Scharfes, Hartes und packte eine Ecke davon. Sie griff fest zu. Auf keinen Fall wollte sie im entscheidenden Moment abrutschen.
»Ich habe alles getan, was du von mir verlangt hast«, sagte Munro.
Seine Stimme klang nicht mehr wütend. Sämtlicher Ärger war verflogen, als er die beeindruckende und einschüchternde Frau, die er einst gekannt hatte, in einer Pfütze aus Blut vor sich auf dem Boden sah.
»Ich habe immer wieder mein Leben für dich riskiert, aber es hat dir nichts bedeutet. Du bist lieber in Washington geblieben und hast den ganzen Ruhm für unsere Arbeit eingeheimst. Wir haben dir nichts bedeutet.«
Mach es. Jetzt!
Sie keuchte erstickt, als sie den Metallsplitter aus ihrem Körper riss. Einen Moment verschwamm alles vor ihren Augen, und sie spürte das warme Blut auf ihren Händen. Aber zwischen den Fingern hielt sie ihre Beute. Es war ein scharfes, schlankes Stück Metall, vermutlich von der Karosserie des Wagens, etwa zwei Zentimeter lang und an einem Ende spitz zulaufend. Es war zwar alles andere als ein optimales Werkzeug für das, was sie vorhatte, aber mehr hatte sie nicht.
»Du … irrst dich«, keuchte sie, während sie das Metallstück fester packte, bevor sie sich daranmachte, die Handschellen zu lösen. Sie hatten ein einfaches Schnappschloss. Normalerweise wäre das keine Herausforderung für sie gewesen, aber es zu öffnen, ohne dass Munro etwas merkte, während sie auf dem Rücken in einer Pfütze ihres eigenen Blutes lag, war schon schwieriger. »Ich war schwach, Dominic. Ich hatte eine Schwäche für dich.«
Er zögerte. Ihre Worte hatten eine Saite in ihm angeschlagen.
Sprich weiter, sorg dafür, dass er weiter zuhört. Lenk ihn ab.
»Du verstehst es immer noch nicht, hab ich recht? Ich habe dir vertraut. Ich habe dir zugetraut, die Einheit auch ohne mich zu führen, weil ich nicht mehr für dich da sein konnte. Ich musste zurück nach Washington.« Sie ertastete den ersten Hebel mit der Spitze des Splitters und drückte ihn nach unten, dann machte sie sich an den nächsten. »Sie wollten, dass ich Cain als Abteilungsleiter ablöste. Einige Männer an der Spitze der Agency sind an mich herangetreten und haben mich in ihren Plan eingeweiht, ihn aus dem Amt zu entfernen. Deshalb habe ich dich verlassen. Ich wollte ihn nicht vernichten – im Gegenteil, ich habe versucht, ihm zu helfen.«
Trotz all ihrer Erfahrung im Außendienst und ihrer Verwegenheit im Kampf hatte Anya so gut wie keine Ahnung von der Politik auf der Topebene der Agency gehabt. Beinahe ohne es zu merken, war sie in eine völlig neue Welt gestoßen worden; eine Furcht einflößende und schwierige Welt voller geheimer Treffen, Planungskonferenzen und Machtspiele.
Sie war weder ein Schreibtischhengst noch ein Politiker, aber einige Leute innerhalb der Agency hatten angefangen, sie in diese Richtung zu drängen. Sie sagten ihr, sie wäre viel zu wertvoll, um an der Front verheizt zu werden, und sie ermunterten sie, ihren rechtmäßigen Platz als Cains Nachfolgerin einzunehmen.
Selbst damals, nach all den Jahren des Misstrauens und der wachsenden Kluft zwischen ihnen, hatte sie sich gegen die Vorstellung gestemmt, Cains Karriere zu zerstören und ihn seiner Macht zu berauben. Welche Fehler er auch haben mochte, er besaß einen brillanten Intellekt, eine Power, mit der man rechnen musste. Es gab keine Grenzen für das, was sie gemeinsam erreichen konnten.
Nur konnte es natürlich nicht mehr so sein wie zuvor, als er die Richtung diktierte und sie als gehorsames Instrument seinen Willen ausführte. Dafür hatten sie sich beide zu sehr verändert, und irgendwo hatte sie das Verstreichen der Zeit damals stärker empfunden als jemals zuvor. In ihrem Innersten wusste sie, dass sie älter wurde.
Die Zeit wurde knapper. Wenn sie noch irgendeinen bedeutenden Beitrag für die Welt leisten wollte, wenn ihre Tage als Kämpferin vorbei waren, dann musste das von einer Position innerhalb der heiligen Hallen von Langley aus passieren. Wenn sie überleben wollte, musste sie sich anpassen.
Aber allein konnte sie das nicht schaffen. Stattdessen hatte sie sich eine Partnerschaft mit Cain gewünscht, eine gerechte, gleichberechtigte Partnerschaft, in der jeder seine jeweiligen Stärken und Erfahrungen zum gemeinsamen Nutzen einbringen konnte. Das war ihre letzte Vision für ihr Leben gewesen. Es hätte ihr erlaubt, endlich diese vage, kindliche
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