Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
starb, bevor er sie noch alle umbrachte.
Sie ließ ihn los, drehte sich um und wollte nach der Waffe greifen, die auf die Stufen gefallen war.
Das Klicken, mit dem eine Pistole entsichert wurde, ließ sie erstarren. Sie drehte sich erneut zu dem Verletzten herum. Er zielte mit einer Pistole Kaliber 45 auf sie.
»Denk nicht mal dran!«, knurrte er auf Russisch. Er beherrschte die Sprache ziemlich gut, aber sie registrierte einen leichten Akzent. Deutsch oder österreichisch, dachte sie. Ein stolzes Volk, ziemlich arrogant. Zweimal hatten sie versucht, dieses Land zu erobern, und zweimal waren sie gescheitert.
Sie schätzte die Bedrohung ein. Eine USP Kaliber 45, Magazin mit zwölf Schuss. Effektive Reichweite etwa fünfzig Meter, jedenfalls in fähigen Händen. Sehr durchschlagskräftig. Eine äußerst beliebte Waffe bei den Operatives der Special Forces.
Aber es war eine schwere Waffe, und der Mann, der sie hielt, war bereits von Blutverlust geschwächt. Er musste sich anstrengen, sie einfach nur festzuhalten. So zerbrochen und entkräftet sie selbst auch sein mochte, sie konnte ihn trotzdem entwaffnen, bevor er auch nur einen Schuss auf sie abgab.
Sie spannte sich an, während sich ihre Muskeln für die plötzliche Bewegung bereit machten, die sie gleich ausführen würde.
Keine Schwäche wird in meinem Herzen nisten. Furcht hat keinen Platz in meinem Credo. Ich werde keine Gnade walten lassen. Ich werde niemals zaudern.
Doch bevor sie reagieren konnte, ertönten Schritte auf der Treppe unter ihr. Sie drehte sich gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie der andere Mann um die Ecke bog.
»Hoch mit Ihnen, Dietrich!«, sagte er, packte den Verletzten und zog ihn auf die Beine. »Wir sind fast da, Mann.«
Sie bemerkte mit einem Anflug von Ärger, wie wenig das Gewicht des Mannes ihn behinderte. Er war jung, stark, gesund, gut genährt und ausgeruht.
Das scharfe Knallen von Schüssen hallte von unten empor, durchmischt mit verwirrten Schreien und dem gequälten Stöhnen von Getroffenen. Irgendein wütender Kampf fand dort statt, und sie konnte sich vorstellen, was die Ursache war.
Da braute sich ein Aufstand zusammen. Dieser Mann hatte etwas losgetreten, das niemand kontrollieren konnte.
»Was haben Sie gemacht?«, erkundigte sich Dietrich, während sie ihren mühsamen Aufstieg fortsetzten. Sie hinterließen Blutflecken auf den Zementstufen.
»Sie haben jetzt größere Probleme, als sich um uns zu kümmern.« Drake deutete nach oben. »Maras, die Treppe hoch! Bewegen Sie sich!«
Sie brauchte keine Ermunterung. Von ihrer schweren Last befreit, stürmte sie die Stufen hoch. Ihr Herz hämmerte, und sie sog tief die eiskalte Luft ein. Nach all den Jahren in einer winzigen Zelle hatte sie fast vergessen, wie es sich anfühlte, ohne Fesseln zu laufen. Die Stufen bildeten ein fremdes und ungewöhnliches Hindernis, das sie seit einem ganzen Lebensalter, wie es ihr schien, nicht mehr bewältigt hatte.
Schließlich bog sie um die letzte Ecke und stürmte durch die offene Tür am Ende der Wendeltreppe hinaus auf eine überdachte Beobachtungsplattform, von der aus man in den Gefängnishof blicken konnte.
Dann blieb sie stehen und sah sich mit ehrfürchtiger Verblüffung um. Sie spürte weder die beißende Kälte noch das Brennen der trockenen Schneeflocken auf ihrer nackten Haut.
Eine endlos lange Zeit hatte ihre ganze Welt aus ihrer kleinen Zelle bestanden und aus dem Gang, durch den sie zu den Waschräumen geführt wurde. Seit dem Tag ihrer An kunft hatte sie die Außenwelt nicht mehr gesehen. Sie hatte weder frische Luft geatmet noch den Wind auf ihrem Ge sicht gefühlt. Ihr Himmel hatte aus grauem Beton bestanden, der von billigen elektrischen Lampen erleuchtet wurd e.
Das hier war die Welt, zu der sie einmal gehört hatte. Und die gerade im Chaos versank.
Im ganzen Gefängnis gellten die Alarmsirenen, und verschiedentlich war das Knattern von Gewehrfeuer zu hören, vermischt mit Schreien und panischem Kreischen. Einer der imposanten Wachtürme auf der Südseite der Einrichtung war zerstört, als hätte man ihn gesprengt. Die Beobachtungsplattform bestand nur noch aus Glasscherben und qualmenden Trümmern.
Schreie von unten erregten ihre Aufmerksamkeit, und sie blickte hinab auf den Gefängnishof. Eine Gruppe von Gefangenen war durch die Haupttore gebrochen, und die Männer strömten auf den freien Platz. Sie hatte keine Ahnung, wohin sie eigentlich gehen wollten. Konnten sie überhaupt noch klar
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