Mister Aufziehvogel
dazu, und abgesehen davon besaß ich den Schläger überhaupt nicht mehr. Aber ich war mir sicher, daß sie mir das niemals glauben würden. Sie glaubten nur an das, was sie im Fernsehen sahen. Ich stand möglichst unauffällig von meinem Sessel auf und hielt auf den Korridor zu, aus dem ich ins Foyer gekommen war. Ich mußte so schnell wie möglich von hier verschwinden. Ich war hier unerwünscht. Ich hatte erst ein paar Schritte gemacht, als ich mich umdrehte und sah, daß mehrere Leute ihre Plätze verlassen hatten und hinter mir herkamen. Ich legte Tempo zu und steuerte geradewegs das andere Ende der Hotelhalle und den Korridor an. Ich mußte zu Zimmer 208 zurückfinden. Ich hatte einen ganz trockenen Mund.
Ich hatte endlich das Foyer durchquert und gerade eben den Korridor betreten, als schlagartig und ohne ein Geräusch alle Lichter im Hotel verloschen. Ein schwerer Vorhang aus Schwärze fiel mit der Geschwindigkeit eines Axthiebs herab. Hinter mir stieß jemand einen Schrei aus - weit näher, als ich erwartet hätte, und mit einer Stimme voll steinernen Hasses.
Ich ging im Dunkeln weiter, mich vorsichtig an der Wand entlangtastend. Ich mußte die Leute abschütteln. Dann aber knallte ich gegen ein Tischchen und warf in der Dunkelheit etwas um, wahrscheinlich irgendeine Vase. Sie rollte scheppernd über den Fußboden. Durch den Zusammenstoß verlor ich das Gleichgewicht und landete auf allen vieren auf dem Teppich. Ich rappelte mich wieder auf und tastete mich weiter den Korridor entlang. Auf einmal spürte ich einen scharfen Ruck am Saum meiner Jacke, als sei ich an einem Nagel hängengeblieben. Es dauerte einen Moment, ehe ich begriff, was geschah. Jemand zerrte an meiner Jacke. Ohne zu zögern, riß ich mich los und stürzte mich in die Dunkelheit. Ich tastete mich um eine Ecke, stolperte eine Treppe hinauf, bog um eine weitere Ecke und stieß dabei alle paar Schritte mit Kopf und Schultern irgendwo an. Einmal rutschte ich auf einer Stufe aus und knallte mit dem Gesicht gegen die Wand. Aber ich verspürte keinen Schmerz: nur gelegentlich ein dumpfes Stechen hinter den Augen. Ich durfte ihnen hier nicht in die Hände fallen.
Es gab überhaupt kein Licht, nicht einmal die Notbeleuchtung, die sich in Hotels im Falle eines Stromausfalls automatisch einschalten sollte. Nachdem ich eine ganze Weile durch diese merkmallose Finsternis gehetzt war, blieb ich stehen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, während ich die Ohren nach irgendwelchen Geräuschen hinter mir spitzte. Aber alles, was ich hören konnte, war das heftige Klopfen meines Herzens. Ich kniete mich hin, um mich einen Moment auszuruhen. Sie hatten die Verfolgung wahrscheinlich aufgegeben. Wenn ich jetzt in der Dunkelheit weiterging, würde ich mich wahrscheinlich hoffnungslos in den Tiefen des Labyrinths verirren. Ich beschloß, hier, gegen die Wand gelehnt, stehenzubleiben und mich zu beruhigen, so gut es ging. Wer mochte das Licht ausgeschaltet haben? Daß es zufällig geschehen war, konnte ich nicht glauben. Es war genau in dem Augenblick passiert, als ich auf den Korridor getreten war und die Leute mich schon fast eingeholt hatten. Wahrscheinlich hatte das jemand getan, um mich vor meinen Verfolgern zu retten. Ich zog mir die Wollmütze vom Kopf, wischte mir mit meinem Taschentuch den Schweiß vom Gesicht und setzte die Mütze wieder auf. Allmählich begann ich an verschiedenen Stellen meines Körpers Schmerzen zu verspüren, aber richtige Verletzungen schien ich keine davongetragen zu haben. Ich sah auf die Leuchtzeiger meiner Armbanduhr, aber da erinnerte ich mich, daß die Uhr um halb zwölf stehengeblieben war. Das war der Zeitpunkt gewesen, als ich in den Brunnen gestiegen war, und es war auch der Zeitpunkt, als irgend jemand Noboru Wataya in seinem Büro angegriffen und mit einem Baseballschläger verletzt hatte. Konnte ich das gewesen sein?
Hier unten, in dieser Dunkelheit, kam mir das jetzt wie eine weitere theoretische Möglichkeit vor. Vielleicht hatte ich ihn da oben, in der wirklichen Welt, tatsächlich mit dem Schläger angegriffen und schwer verletzt, und ich war der einzige, der nichts davon wußte. Vielleicht hatte sich der glühende Haß in mir selbständig gemacht und war ohne mein Wissen hinüberspaziert, um ihm eine Tracht Prügel zu verpassen. Hatte ich spaziert gesagt? Um nach Akasaka zu kommen, hätte ich die Odakyu-Linie bis nach Shinjuku nehmen und dort in die U-Bahn umsteigen müssen. Konnte ich das alles getan
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