Mister Mädchen für alles
schnell. «Also kein Abendessen. Wie wäre es mit einem Musical?» Sie wusste nicht, was gerade gespielt wurde, unddie Zeit lief ihr davon, aber gaben gute Hotelportiers nicht stets damit an, dass sie einem jedes beliebige Eintrittsticket in London besorgen konnten?
«Was denken Sie eigentlich, was ich bin? Ein Kind? Ich habe keine Lust auf eure kitschigen Musicals.»
«Nein, selbstverständlich nicht.» Alex waren die Ideen ausgegangen, und sie blickte auf ihre Armbanduhr. Vielleicht hatte ihr Freund von der Rezeption noch eine zündende Idee. Wie viel mochte wohl eine exklusive Fahrt auf dem Riesenkarussell, dem London Eye, kosten?, fragte sie sich. «Lassen Sie mir einige Minuten Zeit. Entspannen Sie sich und genießen Sie die Pediküre. Ich bin gleich wieder da.»
Alex ließ den Fahrstuhl links liegen und jagte die Treppenstufen hinab in die Eingangshalle, aber nun stand da nur ein junges Mädchen hinter dem Empfangstresen, das hilflos die Schultern hochzog, als Alex sie um ein paar Empfehlungen bat. Das Letzte, was Alex morgen früh gebrauchen konnte, war ein grantiges Supermodel, das eine miese Nacht vor dem Fernseher mit
Newsnight
verbracht hatte. Ihr Handy summte in ihrer Tasche. Alex seufzte.
«Hallo, Mum.»
«Ich wollte dir nur viel Glück für morgen wünschen, Liebes. Ich hoffe, es geht alles gut.» Alex konnte nicht an sich halten und stieß ein hysterisches Gegacker aus, woraufhin das Mädchen an der Rezeption ruckartig den Kopf hob und alarmiert zu ihr herübersah. «Was ist los, Liebes? Alles in Ordnung?»
«Ganz und gar nicht gut, Mum, um ehrlich zu sein.» Sie hörte, wie sich ein panischer Klang ihrer Stimme beimischte. «Ich sollte eigentlich mit Camilla vor Ort sein und zusehen, dass alles für den größten Produkt-Launchfertig ist, den ich je auf die Beine gestellt habe. Aber stattdessen stehe ich hier in der Empfangshalle des Stanfield, eines von Londons protzigsten Hotels, mein Caterer hatte einen Wutanfall und hat den Auftrag hingeschmissen. Saff bereitet gerade auf meine Bitte hin Frühstück für dreihundert Personen vor, und nur Gott allein weiß, wie sie das schaffen wird. Oben in der Suite sitzt das Supermodel, das nur rote Gummibärchen von einer bestimmten Marke essen will, und dessen Outfit noch in Istanbul ist. Frankie wiederum holt gerade die Sachen in der Fabrik in Istanbul ab und bringt sie durch den Zoll, damit alles morgen um neun Uhr da ist. Und das bereits erwähnte Model steht kurz vor einem hysterischen Anfall, weil es sich langweilt und unterhalten werden will, und alles, was ich vorschlage, ist ihr nicht gut genug. Und die Krönung des Ganzen ist, dass jemand bei der Arbeit fest entschlossen ist, aus irgendwelchen Rachegefühlen heraus mir ständig Knüppel zwischen die Beine zu werfen.» Erschöpft hielt Alex inne.
Eine lange Pause entstand am anderen Ende des Telefons. «Aha, ausnahmsweise einmal», sagte ihre Mutter schließlich mit aufreizend sanfter Stimme, «gibt meine ach so unabhängige Tochter zu, dass sie vielleicht ein kleines bisschen Hilfe gebrauchen könnte?»
«Ein bisschen Hilfe?» Alex merkte, dass sie schon wieder lauter wurde. «Was ich brauche, ist ein verdammtes Wunder!»
«Nun, Darling, zum einen solltest du anfangen, den Leuten zu vertrauen. Wenn Saff sagt, dass sie dir hilft, dann wird sie das auch tun. Und lass Frankie mal seine Sache erledigen. Er ist ein äußerst fähiger Mann, und wenn überhaupt jemand das Outfit aus der Türkei herausbringt, dann ist er es.» Alex grinste angesichts der Absurditätdessen, was ihre Mutter da von sich gab – woher wollte sie es wissen? –, aber es war nett von ihr, es wenigstens zu versuchen. «Ich habe nicht viel Ahnung von Sabotage, obwohl es sich übel anhört, was du da erzählst. Ich erinnere mich, dass mir einmal jemand kurz vor meinem Auftritt aus Eifersucht ein Kleid zerschnitten hat, meistens ist das jedenfalls der Grund für so ein Verhalten. Nun, wie du weißt, bin ich eine Expertin in Sachen Unterhaltung. Ich werde in …», sie verstummte kurz und sah vermutlich auf ihre schmale goldene Armbanduhr, «fünfundzwanzig Minuten da sein.» Sie hatte aufgelegt, noch bevor Alex etwas erwidern konnte.
Fünfundvierzig Minuten später – nach einer Verzögerung, in der Bettina zehn Paar Schuhe anprobierte und verwarf – erlebte Alex einen der denkwürdigsten Augenblicke ihres Lebens: ihre Mutter in einem fließenden, pinkfarbenen Kaftan und weißen Hosen, die mit klimperndem
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