Mister Mädchen für alles
vollkommener Abneigung auf ihrem Gesicht sprach Bände. Und er wandelte sich in schiere Fassungslosigkeit, als sie einen Blick auf die neue Kollektion warf, die hinter Alex auf den Ständern hing.
«Ist das die Kollektion?», fragte sie betont gelangweilt.
«Ja, ja.» Alex sprang auf und wollte die grellen Farben der Kollektion
Urban Classics
rechtfertigen. «Ja, das ist sie. Uns gefällt sie ziemlich gut …», ergänzte Alex lahm. Wie konnte sie diese Frau, zu deren täglichem Umfeld Galliano und Stella McCartney gehörten und die mit ihren ausgefallenen Ideen so manchen Laufsteg sprichwörtlich zum Brennen gebracht hatte, wie damals bei der Londoner FashionWeek – wie konnte sie diese Frau nur davon begeistern? Donatella stand auf und kam auf Alex zu. Ein berauschender, teurer Duft umwehte sie, und Alex betrachtete neidvoll die langen, französisch manikürten Fingernägel, mit denen sie über den Kleiderständer entlangglitt. Würde sie sich gleich umdrehen und sagen: «Ich kann nichts für euch tun»? Es war ein Riesencoup gewesen, diese Frau allein dazu zu bringen, dass sie ihre Beteiligung an diesem Produktlaunch auch nur in Betracht zog – doch was, wenn sie ihnen nun eine Absage erteilte, und das so kurzfristig? Alex war sich nicht sicher, was sie dann tun würde.
Die Stylistin nahm hier und da ein Kleidungsstück vom Ständer, betrachtete es und hängte es zurück, ohne ein Wort zu sagen. «Was wollen Sie damit zum Ausdruck bringen?», fragte sie schließlich, als sie sich umdrehte. Alex atmete aus.
«Na ja», erwiderte sie und blickte zu der Frau auf – etwas, das ihr mit ihren knappen ein Meter achtzig selten passierte. «Wir wollen damit ausdrücken, dass Sportbekleidung nicht maskulin sein muss. Sie kann elegant, weltläufig und sexy sein.»
«Und prollig», fügte Donatella zynisch hinzu.
«Na ja, einige Marken sind auch bei den, äh, weniger sportlichen Menschen sehr beliebt … aber die
Urban Classics
von Zencorp machen damit Schluss. Diese Kollektion wird die Grenze zwischen Sport und Mode stilvoll und nahtlos überbrücken.»
Donatella blickte durch ihre heftig getuschten Wimpern abschätzend auf Alex herab. «Sie reden wie eine Pressemitteilung.»
Alex zuckte mit den Schultern und gab sich geschlagen. «Kein Wunder. In den vergangenen sechs Monaten habeich mir schließlich über kaum etwas anderes Gedanken gemacht. Ich träume sogar in Marketingsprache.» Donatella wandte sich wieder der Kollektion zu und nahm ein zitronengelbes und ein pinkfarbenes Top, auf deren Ärmel das Logo unauffällig angebracht worden war, vom Ständer. Sie hielt es vor sich und betrachtete es ausgiebig mit zusammengekniffenen Augen.
«Ja», sagte sie schließlich. «Ich denke, ich kann damit arbeiten.»
«Großartig. Wann können wir denn mit Ihren Ideen rechnen –»
«Aber», unterbrach Donatella sie, «ich verlange, dass Sie mir vollkommen freie Hand lassen. Ich muss auf meine Weise arbeiten können, verstehen Sie? Vertrauen Sie mir. Ich habe bislang noch niemanden enttäuscht. Und welchen großen Namen haben Sie eingekauft?»
«Welchen großen Namen? Nun, wir sponsern eine Reihe von Spitzensportlern, die sich vertraglich zu Werbeauftritten verpflichtet haben.» Alex zählte die Namen auf.
«Hmm.» Nachdenklich legte sich Donatella den langen Zeigefinger an die Wange. «Nein, wir brauchen ein Model. Jemanden, der allein durch die Tatsache, dass er die Kleidung vorführt, der Welt deutlich macht, dass diese Kollektion überall und jeden Tag getragen werden kann. Eine Kate oder Naomi. Oder noch besser, Bettina Gordino. Wenn Sie sie bekommen, bin ich dabei.»
«Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie mich überrumpelt hat», seufzte Alex, nachdem die Stylistin ihr einen beunruhigend hohen Kostenvoranschlag gemacht hatte und gegangen war. «Ich kann nur hoffen, dass sie so gut ist, wie überall behauptet wird.»
Camilla brachte Alex die Pressemitteilung zum Kampagnenstart,die Alex entworfen und ihr zum Gegenlesen gegeben hatte. «Ich finde ihre Shows ein wenig überdimensioniert, wenn ich ehrlich bin.»
«Ach ja?»
«Nun, es ist alles ein wenig protzig, oder nicht? Diese Sache mit den Flugzeugscheinwerfern im Victoria and Albert Museum zum Beispiel. Peter meinte, er hätte gehört, dass sie schwierig sein kann. Eine Primadonna. Aber du scheinst dir ja sicher zu sein, und wenn das Budget dafür reicht …»
«Camilla, wir brauchen das Beste. Etwas Monumentales. Es muss einen guten Grund
Weitere Kostenlose Bücher