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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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draußen, hinter dem Fenster. Der Tag war altweibersommerlich gewesen, und nun zog eine Sturmfront auf.
    »Möchten Sie irgendwas von mir?«, fragte die Stimme.
    »Ja.«
    »Was?«
    »Eine Erklärung.«
    »Ich höre.«
    »Ein Geständnis.«
    »Weiter.«
    »Sie haben sie umgebracht.«
    »Wen?«
    »Alice Pepin. Er hat Sie angeheuert, nicht wahr?«
    Der Mann lachte hinterhältig. »Sie hat sich selbst umgebracht«, sagte er schließlich.
    »Ich glaube Ihnen kein Wort.«
    »Kein Wunder! Es war perfekt.«
    »Sagen Sie es mir persönlich.«
    »Betrunkener Idiot.«
    »Ich kriege Sie, das schwöre ich.«
    »Betrunkener, lallender Schwachkopf.«
    »Wir treffen uns, sofort! Auf der Stelle!«
    »Sieh einer an«, sagte Hannah.
    Zu Hastrolls Überraschung war Hannah im Wohnzimmer aufgetaucht, stand ihm nackt im Slip gegenüber. Ihr Anblick erschien ihm so unglaublich, dass er seinen Unterkiefer mit einem lauten Klick herunterklappen hörte. Sie stand leicht vornübergebeugt und wirkte ein bisschen unsicher auf den Beinen.
    Aber noch bevor er etwas sagen konnte, keifte sie ihn an: »War das deine Freundin?«
    Sanft legte er den Hörer auf. »Wovon sprichst du?«
    »Hast du dir einen Zeitvertreib gesucht? Jemanden, bei dem du dir ein paar Streicheleinheiten holen kannst?«
    »Mach dich nicht lächerlich.«
    Er stand auf und ging auf sie zu, während sie zurückwich, so als wäre die Armeslänge, die sie trennte, ein unsichtbares Objekt, mit dessen Hilfe er sie ins Schlafzimmer zurückschob. Hastroll beschlich dasselbe seltsame Gefühl wie so oft, wenn sie sich stritten. Er vermutete, dass es etwas mit Scham zu tun hatte; bestimmt hörten die Nachbarn alles mit an. Er wurde das beunruhigende Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurden.
    »Ich wusste , dass du nicht durchhalten würdest«, sagte sie. »Ich wusste , du würdest einknicken.«
    »Hannah, du weißt nicht, wovon du sprichst.«
    »In guten wie in schlechten Zeiten? Ha!«
    »Liebling, bitte!«
    »Als ob ich nicht genauso einsam wäre. Aber du hältst es einfach nicht aus, hm?«
    »Das stimmt nicht.«
    »Wer ist sie? Wie heißt sie?«
    »Es gibt keine ›sie‹!« Dennoch konnte Hastroll nicht anders, als beim Gedanken an die andere Hannah zu grinsen.
    »Du lachst ja«, sagte sie.
    Er schaffte es, dem abgebrühtesten Verbrecher gegenüber den starken Mann zu markieren und mit seinem Pokerface dem schlimmsten Abschaum ein Geständnis zu entlocken; aber sobald er versuchte, seine Frau anzulügen, war seine Unsicherheit so unübersehbar wie ein Ständer in der Pyjamahose. »Nein«, winselte er. In Wahrheit war er kurz davor, in lautes Gelächter auszubrechen.
    »Wird sie alles in die Hand nehmen, was ich vernachlässigt habe? Wirst du auch sie bluten lassen? Am ausgestreckten Arm verhungern lassen, du Arschloch?«
    Und dann brach Hannah weinend auf dem Bett zusammen.
    »Mir reicht’s«, sagte er. Er wollte gehen, drehte sich aber wieder zu ihr um und sah, dass ihr Rücken zitterte, als sei ihr furchtbar kalt. Er streckte eine Hand nach ihrer Schulter aus. Ob er sie streicheln wollte oder etwas ganz anderes im Sinn hatte, wusste er später nicht mehr. Jedenfalls fuhr Hannah herum und schlug seine Hand weg.
    »Nicht!«, schrie sie.
    Die Wucht des Schlags ließ ihn gegen den Nachttisch stolpern. Ihr Wasserglas fiel herunter und ging zu Bruch. Er spürte einen stechenden, aufsteigenden Schmerz in seinem Arm; Hannahs Diamantring hatte seine Handfläche aufgeschlitzt.
    Hastroll stand im Dunkeln und wurde von blinder Wut gepackt. Er griff nach einem Kissen und drückte es Hannah aufs Gesicht. » Mir reicht’s! «, murmelte er. Es war köstlich, all seine Kraft einzusetzen, sich mit der Wucht aller Prügel, die sie scheinbar beziehen wollte und die er ihr nie verpasst hatte, auf ihr Gesicht zu stützen und wild auf die Kissenmitte einzudreschen, ohne sich dafür zu schämen. (Das größte Tabu für einen Mann ist nicht der Inzest, sondern eine Frau zu schlagen.) Sie bäumte sich unter ihm auf, versuchte, sich vom Nacken abwärts hochzustemmen, und als ihre Arme wild auf ihn einschlugen, wurde Hastroll bewusst – nicht sofort, aber in den grausigen Stunden danach –, dass es beim Morden einen heiklen Wendepunkt gibt, einen Abgrund, den zu überqueren Disziplin und Entschlossenheit erfordert, und dass sich, wie bei jeder anderen Aufgabe auch
    (wie dem Erlernen einer Sportart oder dem Verfassen eines Romans), die Einzelheiten des Vorhabens, seine Notwendigkeit und seine Gesamtdauer

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