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Mister Peanut

Mister Peanut

Titel: Mister Peanut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Ross
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von der Küche aus, wo er saß und Zeitung las. Sie war im Badezimmer, er konnte den Fön hören. »Nach der Arbeit gehe ich beim Supermarkt vorbei. Wünschst du dir irgendwas Bestimmtes zum Abendessen?«
    »Kauf, was du willst, mir ist alles recht«, rief sie zurück.
    »Alles?«, fragte er ungläubig.
    »Ja«, sagte sie. »Kauf irgendwas.«
    Er hatte sich mit ihrer distanzierten Art abgefunden wie ein Matrose mit dem Wetter: Man erträgt es, Regen wie Sonnenschein, denn man kann es nicht kontrollieren. Man sitzt es aus. Immerhin saßen sie im selben Boot, oder?
    »Ich komme sowieso nicht nach Hause«, fügte sie hinzu.
    David ging zum Badezimmer und lehnte sich in den Türrahmen. Alice stand nackt vor dem Spiegel und kämmte sich das Haar; die Luft war noch warm vom Fönen. Die bemerkenswerte, üppige Fülle ihrer Wangen, Schultern und Brüste, ihre Unterschenkel, die über den vergleichsweise zierlichen Füßen in schlanken Fesseln mündeten, der Anblick ihres Körpers überraschte ihn, er hatte sie so lange nicht berührt, seine Knie wurden weich vor Verlangen. »Wo willst du denn hin?«, fragte er.
    »Ich habe nach der Arbeit einen Termin.«
    Er betrachtete sie. Sie war immer noch dick, aber weniger dick als früher. Sie hatte mehr Gewicht verloren als je zuvor. Er hätte sich für sie freuen sollen. »Was für einen Termin?«
    Sie hielt die Bürste still und musterte sein Spiegelbild wie eine Frau, die ihre Optionen abwägt. »Einen beruflichen Termin«, sagte sie.
    In letzter Zeit hatten diese Termine sich gehäuft, wobei sie ihm nicht sagen wollte, warum oder mit wem sie sich traf. David war überaus misstrauisch und hatte Nachforschungen angestellt. Wenn Alice unter der Dusche stand, nahm er ihre Handtasche, öffnete den Reißverschluss und fischte vorsichtig ihr Portemonnaie heraus. Er fand ein paar seltsame Visitenkarten mit nichtssagenden Namen – Dr. Alex Brulov, Dr. Fred Richmond –, prägte sich die Telefonnummern ein und entzifferte die Notizen, die Alice auf die Kärtchen gekritzelt hatte. Einige davon waren so kryptisch, dass sie Davids Paranoia weckten: Treffen um 3 m it D wegen Extra , oder Vita: Stellen in Ill, Tex. oder D. C. recherchieren . Wer war D, und was gab es extra? Stand Vita für ihren Wunsch nach einem besseren Leben? Oder bedeutete es, dass sie ihre Vita geschrieben hatte, um sich auf freie Stellen in Illinois, Texas und Washington, D. C. zu bewerben? Er überprüfte ihr Handy auf eingegangene, ausgegangene und verpasste Anrufe und entdeckte hauptsächlich die Namen und Nummern von Leuten, die Kollegen von Alice oder ihm aus anderem Grund bekannt waren. Als er die ihm unbekannten Nummern wählte, erreichte er Arztpraxen, von denen er nie gehört hatte und deren Empfangsdamen ihn resolut auflaufen ließen – Informationen über Patienten wurden nicht weitergegeben, auch nicht an Ehegatten. Weil Alice ein eigenes Konto eröffnet hatte, nahm er sich ihr Scheckbuch vor und blätterte in den Kohlepapierkopien, ohne jedoch etwas Verdächtiges entdecken zu können. Er rief wiederholt im Sekretariat ihrer Schule an, um ihren Stundenplan mit ihren Aussagen abzugleichen, wie sich herausstellte, hatte sie ihm immer die Wahrheit gesagt. Er knackte die PIN ihrer Mailbox (das Datum, an dem sie sich kennengelernt hatten) und hörte ihre Nachrichten ab, in denen es ausschließlich um Berufliches ging. Schamesrot ließ er das Handy sinken. Er las sogar ihre Mails, ergebnislos, obwohl ihr Benutzername ihn stutzig machte: mrpeanut.
    Er lehnte sich im Sessel zurück und starrte auf den Bildschirm. Er fragte sich, ob die Katastrophe in einem anderen Leben passiert war oder erst gestern.
    Seltsam, wie die Ehe die Zeit zusammenstampft, sie komprimiert, ihren Fluss verschleiert, bis vergangene und gegenwärtige Momente sich ineinander verschrauben und der Vordergrund zum Hintergund wird und umgekehrt, bis alles Neue dem Alten gleicht und die Vergangenheit gleichzeitig unfassbar neu und fremd wirkt. Seit Jahren war ihr Zusammenleben nun festgefahren. Es war wie in einem Traum, wie in einer Endlosschleife, die sich vom Ursprungspunkt her ausdehnte und gleichzeitig kürzer wurde. Ein typischer Tag: Am Morgen betrat David die eigenhändig blitzsauber geputzte Küche (egal, wie aufwendig das Essen am Vorabend gewesen war), um Kaffee zu kochen. Für Alice schäumte er Milch auf und gab Zucker dazu, während er selbst nur Milch nahm, dann trug er beide Becher ins Schlafzimmer und wartete, bis sie ihre

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