Mister Perfekt
Boden sitzen.
Sowie er sie erblickte, stand er auf, und sie blieb wie angewurzelt stehen, weil eine irrationale Angst sie überschwemmte. Shamal war groß und muskulös. Einen grässlichen Moment glaubte sie, er - aber das war unmöglich.
Der Mörder war blond und folglich ein Weißer. Sie schluckte, geschwächt durch ihre Panik und direkt darauf folgende Erleichterung.
»Was willst du hier?« Ihre Reaktion ließ sie barsch werden, und sie merkte an seinem Blick, dass ihn der unwirsche Empfang überraschte.
»Ich habe dich schon lang nicht mehr gesehen«, schnurrte er mit jener Samtstimme, wegen der ihm die Frauen scharenweise zu Füßen lagen, wenn auch die Millionen, die er damit, scheffelte, dass er mit einem Football unter dem Arm durch die Gegend rannte, ebenfalls nicht schadeten. Für gewöhnlich war er von einer kleinen Entourage ergebener Anhängerinnen umgeben; er genoss es, berühmt zu sein und im Scheinwerferlicht zu stehen, und kostete beides bis zur Neige aus.
»Die letzten zwei Wochen waren ein einziges Chaos«, sagte sie. »Erst das mit der Liste, dann Marci -« Sie verstummte, weil ihr die Kehle eng wurde. Sie konnte einfach nicht glauben, dass Marci tot war. Nein, glauben konnte sie es durchaus. Sie konnte sich einfach nicht damit abfinden.
»Ja, das tut mir echt Leid. Ihr beide wart ziemlich dicke, stimmt's?«
Er wusste wirklich kaum etwas über sie, dachte sie. In ihrer Beziehung, wenn man es denn als solche bezeichnen wollte, hatte sich immer alles nur um ihn gedreht.
»Sie war meine beste Freundin.« Tränen schwammen ihr in den Augen. »Hör zu, Shamal, ich bin jetzt wirklich nicht in der Stimmung für -«
»Hey, deswegen bin ich nicht hergekommen«, sagte er und schob stirnrunzelnd die Hände in die Taschen seiner maßgeschneiderten Seidenhose. »Wenn ich nur Sex haben wollte, hätte ich den auch woanders -« Er brach ab, weil ihm offensichtlich aufging, dass dies eventuell nicht die klügste Erwiderung war.
» Du hast mir gefehlt«, sagte er hilflos und betreten. So etwas sagte Shamal King so gut wie nie zu einer Frau.
Luna schob sich an ihm vorbei und schloss die Tür auf.
»Ach ja«, erwiderte sie trocken. Komisch; fast ein Jahr lang, seit jener Minute, in der sie Shamal begegnet war, hatte sie geträumt, er würde so etwas sagen, er würde ihr einen Hinweis geben, dass sie ihm in irgendeiner Hinsicht wichtig war. Und nun, nachdem er es gesagt hatte, wollte sie nicht einmal einen Zentimeter nachgeben. Vielleicht hatte sie ja bereits so weit nachgegeben, wie sie nur konnte, vielleicht stand sie schon längst mit dem Rücken an der Wand.
Er trat von einem Fuß auf den anderen. Er wusste nicht, was er sagen sollte, begriff sie. Er war sein Leben lang allzu schön und allzu talentiert gewesen, und inzwischen war er zu reich; die Mädchen hatten ihn schon als kleinen Jungen gejagt. Seit sich an der High School erstmals sein Lauftalent gezeigt hatte, war er stets begehrt, vergöttert und verhätschelt worden. Dies hier bildete für Shamal King eine ganz neue Erfahrung.
»Möchtest du reinkommen?«, fragte sie schließlich.
»Ja, klar.«
Er schaute sich in ihrer kleinen Wohnung um, als sähe er sie zum ersten Mal. Trat an das Regal, um ihre Bücher zu begutachten und die Familienfotos.
»Dein Dad?« Er nahm das Foto eines streng, aber gut aussehenden Marine-Majors in die Hand.
»Genau, bevor er in Pension gegangen ist.«
»Du bist also ein Armee-Balg?«
»Ein Marine-Balg «, korrigierte sie und verkniff sich die Grimasse darüber, dass er die Uniform nicht erkannt hatte.
Wieder wirkte er verlegen. »Ich weiß so gut wie nichts über das Militär. Ich habe mein ganzes Leben nur Football gespielt. Ich schätze, du hast ganz schön was von der Welt gesehen, wie?«
»Zum Teil.«
»Mir war von Anfang an klar, dass du schwer was drauf hast.«
Er stellte das Foto wieder ins Regal zurück, genau parallel zur Kante, so wie es zuvor gestanden war.
»Du kennst dich mit Wein und all solchen Sachen aus.«
Luna war ehrlich überrascht. Er hörte sich ein kleines bisschen unsicher an, ein Gefühl, das sie nie mit ihm in Verbindung gebracht hätte. Sonst wirkte er ewig so selbstbewusst und forsch, als fände er es nur natürlich, dass ihm so viel Aufmerksamkeit zuteil wurde. Er wohnt in einem Penthouse, dachte sie, doch sie schüchterte ihn ein, weil sie ein bisschen gereist war und in ihrer Jugend unzählige offizielle Empfänge über sich ergehen lassen musste.
»Möchtest du
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